UN-Bericht:Kriegsverbrechen in Ost-Ghouta

Erstmals dokumentiert eine Kommission die "längste Belagerung" der modernen Geschichte und spricht von "barbarischen" Methoden der Kriegsführung. Der Text über den Einsatz chemischer Waffen aber fehlt plötzlich.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen wirft den syrischen Regierungstruppen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei der Belagerung und Eroberung der nahe Damaskus gelegenen Region Ost-Ghouta vor. Zugleich macht sie auch die dort eingeschlossenen Rebellen-Gruppen für schwere Verstöße verantwortlich. Das geht aus einem in Genf vorgelegten Bericht hervor. Darin verurteilen die Ermittler die "längste Belagerung der modernen Geschichte", mit der Regierungstruppen im Frühjahr 2013 begonnen hatten, als "barbarische und mittelalterliche Form der Kriegsführung".

Dokumentiert werden auch drei mutmaßliche Einsätze von Chemiewaffen, darunter zwei Mal mit Chlor, ein drittes mal eventuell mit einem Nervenkampfstoff. Die Untersuchungen dazu seien noch nicht abgeschlossen. Die New York Times veröffentlichte allerdings sieben Seiten eines früheren Entwurfs, in dem diese drei sowie drei weitere Attacken detailliert beschrieben werden. Ob Unstimmigkeiten in der Kommission oder politischer Druck von außen dazu führten, dass die Passagen auf zwei Absätze reduziert wurden, ist unklar. Offiziell heißt es, die Vorgänge könnten im nächsten Bericht aufgegriffen werden.

Der Vorsitzende der Kommission, der brasilianische Jurist Paulo Pinheiro, sagte: "Es ist völlig verabscheungswürdig, dass belagerte Zivilisten unterschiedslos angegriffen und ihnen systematisch Nahrung und Medizin vorenthalten wurden." Der Bericht dokumentiert den Beschuss ziviler Gebiete mit Artillerie, aber auch Luftangriffe, an denen neben der syrische Armee in erheblichen Umfang die russische Luftwaffe beteiligt war. Laut dem Bericht setzte nur sie Kampfjets vom Typ Su-34 ein. Manche Luftangriffe konnten die Ermittler nicht eindeutig zuordnen. Sie bestätigen auch den Abwurf von Fassbomben aus Hubschraubern der syrischen Armee. Die Häufigkeit der Angriffe auf medizinische Einrichtungen lege nahe, dass die Regierungsseite diese Orte unter Bruch des internationalen Rechts systematisch attackiert habe.

Pinheiro sagte, dass "während der Endphase der Belagerung keine der Kriegsparteien sich um den Schutz der Zivilbevölkerung gekümmert hat". Den Rebellen in Ghouta warfen die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Ermittler vor, dass sie mit improvisierten Geschützen auf von der Regierung gehaltene Wohngebiete gefeuert haben.

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