Umbruch in der Ukraine:Hilferufe in Richtung Polen

Polish FM Sikorski presser after visit to Kiev

Polens Außenminister Radosław Sikorski bei einer Pressekonferenz in Warschau

(Foto: dpa)

Die Entwicklung in der Ukraine ist für Polen von großer Bedeutung. Das erklärt auch das Engagement des polnischen Außenministers Sikorski. Nun bitten verletzte Ukrainer die polnische Bevölkerung um eine besondere Hilfe.

Von Karolina Skrobol

Für Polen sind die Entwicklungen in der Ukraine von besonderer Bedeutung. Die beiden Länder sind Nachbarn, ihre Geschichte weist viele Gemeinsamkeiten auf. So standen beide immer zwischen Russland und dem Westen, ihre Grenzen wurden wiederholt neu gezogen, ganze Bevölkerungsgruppen wurden zu Spielbällen der internationalen Politik.

In der gegenwärtigen schwierigen Lage der Ukraine sieht sich die polnische Regierung nun in der Verantwortung, wenn es um konkrete Hilfestellungen geht. Schon bei den Verhandlungen zwischen Janukowitsch und der Opposition agierte auch Polen als Vermittler. Neben den Außenministern von Frankreich und Deutschland, Laurent Fabius und Frank-Walter Steinmeier, reiste auch Polens oberster Diplomat Radosław Sikorski zu diesem Zweck an. Nun debattieren die Polen über konkrete Hilfestellungen, die über Diplomatie hinausgehen.

Eine Möglichkeit ist es, Ukrainern zu helfen, die sich bei den Auseinandersetzungen auf dem Maidan in Kiew verletzt haben. Viele Betroffene möchten nach Polen reisen, um sich dort auszukurieren. Bei Solidarność gehen derzeit täglich viele entsprechende Anrufe ein. Über die polnische Gewerkschaft werden im ganzen Land Familien gesucht, die bereit sind, für ein bis zwei Wochen hilfsbedürftige und verwundete Ukrainer bei sich aufzunehmen.

Weitere Belege für die enge Verbundenheit der beiden Länder sind die vielen polnischen Rettungskräfte, die in die Ukraine gereist waren und nun von Erlebnissen und Eindrücken von ihren Einsätzen in Kiew berichten. Das polnische Zentrum für internationale Zusammenarbeit hatte sie ins Nachbarland geschickt. Viele, so heißt es dort nun, klagen über Verletzungen und posttraumatische Belastungsstörungen.

Mit sehr offenen Worten in Sendungen der BBC und auf CNN hat nun der polnische Außenminister Radosław Sikorski eine Kontroverse ausgelöst: Er forderte die neue ukrainische Regierung auf, zu Polen in Kontakt zu bleiben, aber auch zu Russland.

Polnische Medien debattieren nun darüber, ob es klug sei, der Ukraine weiterhin einen Bund mit den russischen Nachbarn zu empfehlen. Sikorski argumentiert, es sei strategisch unumgänglich für Kiew, weiterhin mit Moskau zu kooperieren. Nicht zuletzt, weil auf ukrainischem Boden russische Militäreinheiten stationiert seien. Er hoffe außerdem, dass die russische Regierung die aktuelle, wirtschaftlich schwierige Situation der Ukraine nicht ausnutze. Eine besonders große Bedeutung hat hier der Gaspreis. Die Ukraine brauche nun billiges Gas aus Russland.

Eine wichtige Aufgabe der Verantwortlichen in Kiew, so Sikorski, sei es auch, Konflikte zwischen den politisch und kulturell unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Ost und West zu verhindern oder zu beheben.

"Eine Milliarde für die Revolution" - mit diesen Worten fordert nun die Zeitung Gazeta Wyborcza das eigene Land auf, die Ukraine finanziell zu unterstützen. Denn: Wenn man A sage, müsse man auch B sagen. Nachdem Polen sich erfolgreich als Vermittler eingesetzt hat, sollte man nun auch den nächsten Schritt tun und handfest mit Geld aushelfen. Polen könnte hier als Vorbild für andere Länder dienen, die mit ähnlicher Unterstützung nachziehen sollten.

Gleichzeitig fragt man sich in Polen: Wo soll die Milliarde herkommen? Skeptiker blicken erwartungsvoll auf die EU - und warten auf konkrete Ansagen.

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