TV-Sender:Cyber-Attacke alarmiert Frankreich

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Nach dem islamistischen Hacker-Angriff auf den TV-Sender TV 5 Monde will Paris "eine totale Mobilisierung" gegen Internetkriminalität. Es kommen Zweifel auf, ob der Islamische Staat wirklich hinter der Attacke steckt.

Von Christian Wernicke, Paris

Frankreich rüstet auf im Cyber-Krieg: Nach dem Angriff wahrscheinlich islamistischer Hacker auf die Zentrale des Fernsehsenders TV 5 Monde will die Regierung in Paris 500 zusätzliche Sicherheitsexperten einstellen. So sollen künftig Angriffe auf Behörden, Versorgungsbetriebe und Medien verhindert werden.

In der Nacht zum Donnerstag war es unbekannten Tätern gelungen, das weltweit ausgestrahlte Programm des Senders völlig lahmzulegen und auf der Website von TV 5 Drohbotschaften der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu hinterlassen. Frankreichs Premierminister Manuel Valls verurteilte "den Anschlag auf die Meinungsfreiheit", sein Innenminister Bernard Cazeneuve versprach "eine totale Mobilisierung" gegen Angriffe übers Internet. Die Attacke auf TV 5 hatte am späten Mittwochabend begonnen. Binnen Minuten war das gesamte Programm des frankophonen Auslandssenders - elf Kanäle für insgesamt 200 Regionen weltweit - lahmgelegt. Zugleich eroberten die Internet-Piraten, die unter dem Namen "Cyber-Caliphate" agierten, die Homepage von TV 5 sowie dessen Konten bei sozialen Medien wie Facebook und Twitter. Dort platzierten sie das Signet "Je suIS IS", eine Anspielung auf die Solidaritätsformel "Je suis Charlie" nach den Terroranschlägen auf die Satirezeitung Charlie Hebdo im Januar. Erst im Laufe des Donnerstagnachmittags gelang es, weitgehend zum normalen Sendebetrieb zurückzukehren.

Die Cyber-Terroristen rechtfertigten ihre Attacke mit Frankreichs militärischem Engagement im Nahen Osten. Paris hat einen Flottenverband mit seinem Flugzeugträger Charles de Gaulle (2600 Mann Besatzung) in die Region entsandt. Hinzu kommen etwa 600 Soldaten an Land. Von einem Stützpunkt in Abu Dhabi fliegt die französische Luftwaffe seit September regelmäßig Bombenangriffe auf Stellungen der IS-Milizen im Irak.

Das "Cyber-Caliphate" pries in seiner Botschaft über TV 5 nun die drei Terroristen vom Januar, die in Paris 17 Menschen getötet hatten. Zugleich drohten die Hacker, künftig werde der IS gegen die Familien von in der Region kämpfenden Soldaten vorgehen: "Französische Soldaten, haltet euch fern vom Islamischen Staat!" Zum Beweis stellten die Islamisten angebliche Kopien von Ausweisen und Lebensläufen mehrerer Angehöriger ins Netz. Aus Kreisen französischer Terrorexperten hieß es am Donnerstag, man sei nicht sicher, wie eng das "Cyber-Caliphate" und der IS verbunden seien. Diverse Fehler in den mehrsprachigen Bekennererklärungen seien nicht typisch für die sonst oft "technisch perfekten" IS-Botschaften. Die französische Website Breaking 3.0 meldete, erste Spuren würden auf zwei islamistische Hacker in Algerien und im Irak hinweisen.

TV-5-Chef Yves Bigot sprach am Donnerstag von einem "in der Fernsehgeschichte beispiellosen Angriff". Der internationale Sender TV 5 wird von öffentlich-rechtlichen Anstalten in Frankreich, Kanada, Belgien und der Schweiz getragen. Der französische Staat schultert mit Zuschüssen in Höhe von jährlich 78 Millionen Euro den Großteil des Budgets (110 Millionen Euro), um so unter anderem die Verbreitung der französischen Sprache zu fördern.

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