TV-Duell: Merkel vs. Steinmeier:Remis der Rollenspieler

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Krawall fiel aus, die Kandidaten erfüllten die Erwartungen: Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Steinmeier in einem Duell, das nach Punkten unentschieden enden musste.

Hans-Jürgen Jakobs

Wenn der Wahlkampf bisher vielen als langweilig galt, so fügte sich sein angeblicher medialer Höhepunkt ins Bild. Langweiliger als dieses "TV-Duell" ist selten ein - vorher gehyptes - Aufeinandertreffen zweier Spitzenpolitiker gewesen.

Angela Merkel (CDU), die Kanzlerin, gegen Frank-Walter Steinmeier (SPD), ihren Außenminister, das war über weite Strecken eher eine Werbeveranstaltung für die Arbeit der großen Koalition in den vergangenen Jahren als ein "Duell". Gelegentlich nur blitzte politische Gegnerschaft auf, vereinzelt nur spielte Streit um politische Positionen eine Rolle.

Immerhin: Es gab keine Patzer. Beide waren von ihren Helfern gut gecoacht worden. Herausforderer Steinmeier wirkte durchaus sympathisch, griff phasenweise deutlich an, insgesamt aber konnte Angela Merkel ihren Amtsbonus nutzen. Sie schwebte über den Niederungen deutscher Politik und war ganz auf große, internationale Lösungen ausgerichtet.

Im Ergebnis, über die Kategorien hinweg: ein Remis, das aber der Kanzlerin und ihrer Politik für eine schwarz-gelbe Koalition beste Chancen lässt. Dabei hatte Sozialdemokrat Steinmeier, der Außenseiter, seine Sache besser gemacht, als manche vermutet hatten.

Die Einzelwertungen

Politische Sachlichkeit: Selten wurde es konkret. Es dominierte die Kunst der Allgemeinplätze. Beide Kandidaten lobten die alte, ihre Koalition - und das, was sie jeweils darin erreicht hätten. Hier musste Steinmeier auch noch mal die angeblich positiven Spätfolgen der rot-grünen Agenda 2010 bemühen.

Viele Themen spielten überhaupt keine Rolle, beispielsweise Bildung, Familie, Umwelt, Außenpolitik. Anwärter Steinmeier setzte auf soziale Gerechtigkeit, auf Mindestlöhne und auf Beschränkung der Manager-Boni. Merkel beschwerte sich hier über den Arcandor-Chef, der für ein halbes Jahr Arbeit Gehalt für fünf Jahre erhält und bemühte ansonsten ihre Klassiker wie "neue soziale Marktwirtschaft", nötige Steuersenkungen und betonte internationale Absprachen. Sie blieb meist im Vagen, im Ungefähren, wenn konkrete Maßnahmen abgefragt wurden.

Bewertung: Leichte Vorteile für Steinmeier.

Schlagfertigkeit: Merkel gab nur wenige Kostproben ihres Mutterwitzes, für den sie Nahestehende loben. Sie hatte oft damit zu tun, ihr Unangenehmes fast patzig abzuwehren: "Die Frage beantworte ich, wie ich will." Einmal sprach sie vom "Loch-Ness-Ungeheuer". Das war schon das Pointierteste.

Steinmeier wehrte das für ihn gefährliche Thema Linkspartei routiniert ab. Deren Führer seien aus der Verantwortung geflohen. Als er eine Antwort zu den Konjunkturprogrammen nicht ausführen konnte, fragte er ruhig zurück: "Haben Sie Interesse an meinem Argument?" Nur einmal gab er sich überheblich: "Ach, Frau Illner!"

Er rechnete trocken vor, dass Deutschland neun Prozent Wachstum haben müsste, wenn die schwarz-gelben Vorstellungen Erfolg haben sollten. Beim Afghanistan-Thema kam er sichtlich in die Defensive. Das gilt aber auch für Merkel, die aus sich herauspresste, dass Franz Josef Jung ihr Vertrauen habe.

Merkel hatte Stärken, als sie die Unsicherheiten der SPD im Umgang mit den Linken aufspießte.

Bewertung: Wenig Schlagfertigkeit bei beiden. Leichte Vorteile Merkel.

Innovationsfreude: Kanzlerin Merkel hatte hier im Grunde nur den nebulösen Steuersenkungsvorschlag zu bieten, die leistungsfähige Mittelschicht von den negativen Folgen der kalten Progression zu befreien. Steuern zu senken motiviere die Arbeitnehmer, das schaffe Wachstum, und damit seien die Probleme zu lösen.

Sie wies nur immer wieder darauf hin, was sie alles schon erreicht habe.

Steinmeier hat hier ein ganzes Bündel an Vorschlägen in die Debatte eingebracht: von den Mindestlöhnen und Managerboni-Begrenzungen bis hin zu einer globalen Finanzmarktsteuer.

Bewertung: Vorteile bei Steinmeier.

Charisma: Sowohl Merkel als auch Steinmeier präsentierten sich als gute Rollenspieler, nicht aber als Politiker mit überraschenden Ideen oder Visionärem. Spontanität war nicht vorgesehen, also kam es auch nicht dazu.

Der SPD-Vertreter gab sich als kraftvoller Anwalt des Sozialen, der mit "Ich sage ..." anhob und dann Punkt für Punkt Anliegen der Gerechtigkeit aufführte.

Beide verfolgten den Großteil der Diskussion mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Im Land des Lächelns war an diesem Abend keiner zu Hause. Es wirkte so, als ob beide ein wenig Angst vor den Aufgaben der Zukunft haben - und vor der nicht gerade kleinen Wahrscheinlichkeit, es weiter miteinander versuchen zu müssen.

Als Illner einmal die Chiffre "Tigerentenkoalition" für eine schwarz-gelbe Allianz einführte, konnte Merkel überhaupt nicht lachen: Das sei doch kein Spiel, die Schaffung von Jobs sei ihr "bitterernst".

Bewertung: Charisma bei beiden nur in Spurenelementen vorhanden.

Krawallpotential: Fast gleich null. Naturgemäß musste Steinmeier aggressiver sein. Mit dem Streichholz ging er an die Lunte, als er aufführte, wie viel Geld Industrie und Banken an die Union und die FDP spendeten, und wie wenig die SPD bekommen habe. Und dass er auf den Geburtstagsempfang für Deutschbankier Josef Ackermann im Kanzleramt anspielte, dürfte Merkel nicht gerade gefallen haben.

Die Schlussansprache der beiden Kandidaten war der Höhepunkt dieser missratenen Inszenierung "TV-Duell": Beide referierten breit ihre Slogans im Stil einer Neujahrsansprache. An dieser Stelle hätte man vielleicht besser Konserven gesendet. Ein groteskes Finale einer völlig überbewerteten Sendung.

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