EU-Subventionen:Tschechiens Premier vermischt Politik und Geschäfte

Demonstration gegen Tschechiens Regierungschef Babis

Ein Misstrauensvotum im Parlament hat Tschechiens Premier Andrej Babiš knapp überstanden, doch seine Gegner, hier bei Protesten Mitte November in Prag, halten an ihrer Forderung fest: "Rücktritt!"

(Foto: Kateøina äulová/CTK/dpa)
  • Ein juristisches Gutachten der EU-Kommission hält die Interessenkonflikte des tschechischen Premiers Andrej Babiš für unüberbrückbar.
  • Die Firmengruppe des Milliardärs erhielt 82 Millionen an EU-Subventionen allein im Jahr 2017 - die Verlagerung seiner Firmen-Anteile in zwei Trusts ist nach Ansicht der EU-Juristen nicht ausreichend.
  • Der EU-Abgeordnete Bart Staes fordert den Milliardär auf, sich entweder aus der Politik zu verabschieden oder seine Anteile komplett zu verkaufen.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Einer Analyse des juristischen Dienstes der EU-Kommission zufolge erscheinen die Interessenkonflikte des tschechischen Premierministers Andrej Babiš unüberbrückbar, solange der Milliardär die Anteile seiner Agrofert-Gruppe nicht verkauft. Für den Gründer der populistischen Ano-Partei, der erst vor einer Woche ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden hat, ist dies eine äußerst schlechte Nachricht. Denn während es beim Misstrauensantrag in Prag um einen wahrscheinlichen, ein Jahrzehnt zurückliegenden Missbrauch von EU-Subventionen durch Babiš' Firmengruppe in Verbindung mit dem Konferenzzentrum "Storchennest" geht, beschäftigt sich das neue Papier mit der Gegenwart.

Die neun Seiten, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, lassen wenig Zweifel: Als Regierungschef übt der 64-Jährige so großen Einfluss auf die tschechische Politik aus, dass eine Verquickung mit seinen Geschäftsinteressen nicht zu verhindern sei. Das Gutachten ist die Antwort der Hausjuristen auf ein Schreiben von Marc Lemaître, dem Chef der Generaldirektion Regionalpolitik, und ist auch im Generalsekretariat der EU-Kommission sowie den Experten für Landwirtschaft und Haushalt bekannt. Lemaître verweist auf die im Juli 2018 in Kraft getretene Neufassung der EU-Haushaltsordnung, die unter anderem zum Ziel hat, Interessenkonflikte zu vermeiden und den Missbrauch von Fördergeldern zu unterbinden.

82 Millionen aus dem EU-Fonds

Laut Lemaîtres Schreiben erhielt und erhält die von Babiš gegründete Agrofert-Gruppe zwischen 2014 und 2020 "bedeutende Summen" aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Während es 2013, "dem Jahr, in dem Herr Babiš in die Politik eintrat", noch 42 Millionen Euro gewesen seien, habe Brüssel 2017 82 Millionen Euro überwiesen. In diesem Jahr hat Andrej Babiš seine Anteile am Unternehmen Agrofert und der gleichnamigen Firmengruppe in zwei private Trusts übertragen, welche "AB private trust I" und "AB private trust II" heißen. Er beteuert seither, kein "direktes oder indirektes Interesse" an der Agrofert-Gruppe mehr zu haben. Diese besteht aus 200 bis 300 Firmen, die neben der Landwirtschaft europaweit in der Chemie- und Medienbranche aktiv sind.

Der juristische Dienst der EU-Kommission sieht die Lage ganz anders. "Die Situation von Herrn Babiš ist als Interessenkonflikt nach Artikel 61 (3) der Neufassung der EU-Haushaltsordnung zu bezeichnen", steht auf Seite 6 des am 19. November verfassten Gutachtens in gefetteter Schrift. Laut diesem Absatz liegt ein Interessenkonflikt für Mitglieder von nationalen Regierungen oder Behörden vor, wenn die "unabhängige, objektive Ausübung" ihrer Arbeit durch "Familienbeziehungen, politische Neigungen, Wirtschaftsinteressen oder sonstige direkte oder indirekte Interessen" beeinträchtigt wird.

Das Gutachten bestätigt einen brisanten Fund des tschechischen Ablegers von Transparency International (TI) im slowakischen "Register für Partner des öffentlichen Sektors", wonach Babiš einer der fünf Begünstigten der Trusts sei. In einer Fußnote wird festgestellt, dass es sich hier nicht um einen "blind trust" handelt, weil der Premier und seine Ehefrau Monika Babišova weiterhin über die Bestände informiert seien. TI hatte im Sommer 2018 ebenso wie die tschechischen Piraten bei der EU-Kommission eine Beschwerde eingereicht, auf die bis Mitte Januar geantwortet werden muss.

Für den EU-Abgeordneten Bart Staes, der für die Grünen im Haushaltskontrollausschuss sitzt, ist klar: "Babiš muss sich entscheiden, ob er aus der Politik aussteigt oder alle Verbindungen zu Agrofert aufgibt, indem er die Anteile verkauft und die Trusts auflöst." Auch wenn der Sachverhalt des Interessenkonflikts erst in der Neufassung der EU-Haushaltsordnung konkret formuliert wurde, ist sich der Belgier sicher, dass schon vorher Verstöße vorlagen und die tschechischen Stellen dies hätten unterbinden müssen.

Kurz vor der Europawahl ist es Staes wichtig, dass die EU-Kommission zügig handelt und im Ernstfall alles dafür tut, die ausgezahlten Subventionen zurückzufordern. "Die EU ist kein Bankautomat für die Reichen und Mächtigen. Wenn so ein Vorgehen toleriert wird, stärkt das nur die Europaskeptiker", sagt der Grüne. Gerade weil der Anteil der Agrarsubventionen am Haushalt der EU so groß ist, müsse hier genau kontrolliert werden. Pikanterweise steht auch der tschechische Landwirtschaftsminister Miroslav Toman im Verdacht, Interessenkonflikte nicht ausgeräumt zu haben.

Die Reaktion des Premiers dürfte heftig ausfallen, er schimpft auf "Journalistenhyänen" und stilisiert sich als Mann des Volkes. Abzuwarten bleibt, wie die Sozialdemokraten als Koalitionspartner reagieren. Sie hatten sich nicht am Misstrauensvotum beteiligt und so Babiš indirekt gestützt. Diese Position dürfte aber schwer zu halten sein, wenn Babiš' Verquickungen europaweit diskutiert werden.

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