Trumps Einwanderungspolitik:Die Mär von der Invasion aus dem Süden

Trumps Einwanderungspolitik: Lateinamerikanische Migranten auf dem Weg Richtung US-Grenze im mexikanischen Bundesstaat Jalisco

Lateinamerikanische Migranten auf dem Weg Richtung US-Grenze im mexikanischen Bundesstaat Jalisco

(Foto: AFP)

Der US-Präsident warnt vor einer angeblich gefährlichen Karawane von Migranten und will die Grenze zu Mexiko mit Militär schützen. Was ist da los? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Thorsten Denkler, New York

Wer in den vergangenen Tagen den Twitter-Kanal des US-Präsidenten verfolgt, muss den Eindruck gewinnen, den USA stünde eine Invasion von Migranten aus dem Süden bevor. "Es wird immer gefährlicher", twittert Donald Trump am Sonntag. "Karawanen kommen." Am Dienstag schreibt er richtigerweise, nur "eine", dafür aber "große Karawane" von Menschen größtenteils aus Honduras marschiere quer durch Mexiko auf die "schwache Grenze" der USA zu.

Weil alles so dramatisch zu sein scheint, will Trump jetzt das Militär einsetzen, um die angeblich so schwach gesicherte Grenze vor dieser Invasion zu schützen. Trump droht gar damit, das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko endgültig zu kippen, sollte das Land die Karawane nicht aufhalten. Honduras und andere Staaten, die die Wanderung ermöglichten, sollten sich auf das Ende von Finanzhilfen aus Washington gefasst machen.

Was hat es mit der Karawane auf sich?

Seit etwa fünf Jahren gibt es das Phänomen, dass sich zu Ostern Menschen aus den ärmsten Staaten in Mittel- und Südamerika in einem Treck auf den Weg in Richtung Norden machen. Einige davon in der Hoffnung, von den USA aufgenommen zu werden. In diesem Jahr haben sich etwa 1200 Menschen zu Fuß auf die Reise gemacht. Darunter sind auch Kinder und Senioren. Sie werden angeführt von einer Organisation namens "Pueblo sin Fronteras", Volk ohne Grenzen. Deren Mitglieder kämpfen nach eigenen Angaben seit 15 Jahren dafür, dass Menschen frei und unbehelligt dort leben können, wo sie wollen.

Die meisten Menschen der Karawane kommen aus Honduras, einem Land, das seit Jahren unter Armut und Gewalt leidet. Es hat mit jährlich 63 Morden pro 100 000 Einwohner die zweithöchste Mordrate in Zentralamerika.

In diesem Jahr ist die Karawane etwas größer als in den Jahren zuvor, bisher war immer nur von "Hunderten" Menschen berichtet worden. Trumps Lieblingssender Fox News berichtet intensiv über die Menschen als neue Gefahr für die innere Sicherheit der USA. Aus dem Weißen Haus heißt es, ein Bericht seiner Heimatschutzministerin Kristjen Nielsen habe Trump alarmiert. Die Organisatoren des Marsches hingegen sagen, höchstens 120 Teilnehmer wollten einen Weg in die USA finden. Die meisten würden nach Hause zurückkehren oder Schutz in Mexiko suchen.

Trumps Mitarbeiter behaupten, die laschen Einwanderungsgesetze hätten eine "Flut" von Migranten an die US-Grenzen gespült. Stimmt das?

Nein. Die diesjährige Oster-Karawane mag größer sein als üblich. Aber die Zahl der an der Grenze gestoppten oder festgenommenen Einwanderer ist seit Jahresbeginn nach Daten der US-Regierung gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr um 26 Prozent geringer. Von 2016 auf 2017 war sie sogar um 44 Prozent gesunken.

Trump will die Grenze jetzt mit Militär vor der Karawane schützen. Warum?

Die südliche Grenze der USA zu Mexiko ist inzwischen schwer bewacht. Der illegale Grenzübertritt ist lebensgefährlich. Im vergangenen Jahr sind dort nach Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IMO) 412 Migranten gestorben. Das sind 14 Tote mehr als 2016, obwohl die Zahl der versuchten illegalen Grenzübertritte stark zurückgegangen ist. Nach einem Bericht des Heimatschutzministeriums ist die Grenze so dicht wie nie zuvor. Bis zu 85 Prozent der versuchten illegalen Einreisen würden entdeckt. Militär an die Grenze zu versetzen, wäre also Symbolpolitik.

Trumps Drohung dürfte vielmehr Vergeltung dafür sein, dass der Kongress ihm Geld für den Bau einer Mauer zu Mexiko verweigert hat. Die Kosten dafür werden auf etwa 25 Milliarden Dollar geschätzt. Aber nicht mal seine Republikaner im Kongress sind ausreichend überzeugt, dass die Mauer sinnvoll ist.

Darf Trump das US-Militär im Inland einsetzen?

Eigentlich nicht. Allerdings haben schon frühere Präsidenten die Nationalgarde eingesetzt, um die Grenze zu sichern. Die Garde ist eine Reserve-Truppe des US-Militärs, die auch im Inland unterstützend Aufgaben erfüllen darf. Sie ist sowohl dem Präsidenten als auch in den jeweiligen Bundestaaten den Gouverneuren unterstellt. Präsident Barack Obama hat im Jahr 2010 etwa 1200 Nationalgardisten zur Unterstützung an die Grenze zu Mexiko geschickt. Präsident George W. Bush versetzte 2006 etwa 6000 Gardisten an die mexikanische Grenze. Damals ist der in der Mexiko tobende Drogenkrieg zum Teil auch auf US-Boden ausgetragen worden. Trump will dagegen offenbar Truppen einsetzen, um akut etwas mehr als einhundert Flüchtlinge zurückzuhalten.

Trump droht Mexiko mit dem Ende des Freihandelsabkommens Nafta, sollte es nichts gegen die Karawane unternehmen. Was bedeutet das?

Trump hat inzwischen so gut wie jeden mit allem bedroht. Von Mexiko hat er schon verlangt, dass es für seine Mauer bezahlen müsse. Daraus ist bisher nichts geworden. Das Nafta-Abkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko wird ohnehin gerade neu verhandelt, weil Trump es aus US-Sicht für ein schlechtes Geschäft hält. Die neue Drohung zeigt vor allem, wie wenig Bedeutung Trump dem Abkommen offenbar beimisst.

Trump fordert den Kongress auf, in Sachen Einwanderung endlich zu handeln. Was sollen die Abgeordneten beschließen?

  • Trump will etwa die Catch-and-Release-Regel aufgehoben sehen. Danach werden festgenommene Einwanderer in der Regel zunächst wieder freigelassen, bis Gerichte eine Entscheidung über ihr Bleiberecht gefällt haben.
  • Auch sollen allein reisende Kinder künftig umgehend in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Für die sieht das Gesetz bisher einen besonderen Schutz vor, um sie nicht neuen Gefahren auszusetzen. Der Schutz stammt noch aus der Zeit von Präsident George W. Bush und hat ab 2013 zu einem erkennbaren Anstieg der Zahl illegal in die USA gebrachter Minderjähriger geführt.
  • Außerdem soll nach Trumps Willen das Recht auf politisches Asyl beschränkt werden. Bisher reicht es etwa, wenn der Antragsteller "glaubwürdig Angst" hat, in sein Heimatland zurückzukehren. Regeln wie diese führten nach Angaben aus dem Weißen Haus zu jahrelangen Gerichtsverfahren, während derer sich die Asylsuchenden legal in den USA aufhalten würden.

Wird der Kongress Trumps Vorschläge umsetzen?

Das gilt als unwahrscheinlich. So gut wie alle neuen Gesetze oder Gesetzesänderungen müssen spätestens im Senat mit mindestens einer 60-zu-40-Stimmen-Mehrheit verabschiedet werden. Die Republikaner haben aber nur 52 Senatoren. Sie sind also auf die Hilfe der Demokraten angewiesen. Das ist der Grund, warum Trump den Druck auf die Republikaner im Senat erhöht, die so genannte "nukleare Option" zu wählen, also die 60-Stimmen-Regel zugunsten einer einfachen Mehrheit abzuschaffen.

Aber auch das wird sehr wahrscheinlich nicht passieren. Sollten die Republikaner irgendwann wieder in der Opposition sitzen, hätten sie keinen Einfluss mehr auf das Handeln einer von den Demokraten geführten US-Regierung.

Trump hat im Zuge der Debatte über die Karawane auch das Ende des Abschiebeschutzes für einst minderjährige illegal Eingewanderte verkündet. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Das von Präsident Obama eingeführte Daca-Programm (Deferred Action for Childhood Arrivals) schützt Menschen vor Abschiebung, die vor 2007 als unter 16-Jährige illegal in die USA gebracht worden sind. Mit der aktuellen Situation hat Daca also nichts zu tun. Kein Einwanderer, der nach 2007 minderjährig und illegal in die USA gebracht wurde, kann einen Daca-Abschiebeschutz beantragen.

Es geht Trump auch hier um die Mauer. Er will eine Vollfinanzierung seines umstrittenen Projektes. Anfang des Jahres erst hatte er den Demokraten vorgeschlagen, praktisch allen Daca-Schützlingen den Weg zu einer US-Staatbürgerschaft zu bereiten, wenn die Demokraten bereit wären, seine Mauer zu finanzieren.

Auf das allein hätten sich die Demokraten sogar eingelassen. Nur wollte Trump noch mehr: etwa die Greencard-Lotterie in der bisherigen Form abschaffen und noch ein paar andere tiefgreifende Veränderungen, die die Geschichte der USA als Einwanderungsland beendet hätten. Das konnten die Demokraten nicht mittragen.

Trump hatte das Daca-Programm vergangenen Herbst mit einer Frist von sechs Monaten beendet. Die Frist ist Anfang März abgelaufen. Das Programm läuft allerdings nach einigen Gerichtsentscheidungen vorerst weiter.

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