US-Präsident:Trump fehlt viel zum genialen Verhandler

  • Erst drohen, dann schmeicheln: Trumps Verhandlungstatik ist inzwischen leicht zu durchschauen.
  • Im internationalen Politik-Geschäft hat er es damit noch nicht weit gebracht.
  • Ihm mangelt es außerdem an ein paar Kernkompetenzen, die erfolgreiche "Dealmaker" brauchen, urteilt US-Verhandlungsexperte Martin Latz in einem neuen Buch.

Von Thorsten Denkler, New York

Wenn US-Präsident Donald Trump mit seiner Verhandlungstaktik Erfolg hat, dann wird der Streit mit Iran so ausgehen: Das Land wird klein beigeben, ein für alle Mal auf Versuche verzichten, Atomwaffen zu bauen, seine Nachbarn und Israel in Frieden lassen. Und natürlich sein Raketenprogramm zurückfahren.

Trumps Vorgehen: erst maximaler Druck, dann das Fenster für Verhandlungen öffnen. Hat ja in seinen Augen auch mit Nordkorea geklappt. Allerdings ist da außer Gesprächen bisher nicht sonderlich viel passiert. Ein paar Gesten des guten Willens gibt es: Nordkorea etwa hat angefangen, die sterblichen Überreste von im Koreakrieg gefallenen US-Soldaten an die USA zu übergeben.

Von einer Denuklearisierung ist Nordkorea aber noch "sehr weit entfernt", muss jetzt auch US-Außenminister Mike Pompeo einräumen. Die Hoffnung aufgeben will er nicht; aber es sieht gerade nicht danach aus, als würde Nordkorea überhaupt noch etwas von Entnuklearisierung wissen wollen.

Iran ist ein wesentlich komplexerer Fall. Anders als mit Nordkorea gibt es bereits ein internationales Abkommen, das Iran den Bau von Atomwaffen für die kommenden Jahre verbietet. Der JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) aber gefällt Trump nicht, er will ein neues Abkommen. Anfang Mai hat er den JCPOA einseitig aufgekündigt und angekündigt, die für das Abkommen ausgesetzten US-Sanktionen wieder in Kraft treten zu lassen. Das ist an diesem Dienstag geschehen.

Allerdings ist nicht klar, wie schwer die Sanktionen Iran treffen werden. Die Währung ist bereits im freien Fall. Und die Proteste im Land nehmen zu. Aber China will etwa trotz angedrohter US-Strafen nicht auf iranisches Öl verzichten. Die EU wiederum ist dabei, eine Regel in Kraft zu setzen, die es europäischen Unternehmen gar verbieten würde, sich an die US-Sanktionen zu halten. Für etwaige Verluste will die EU teilweise geradestehen. Ende offen.

Trumps Taktik scheint ihn, den in eigenen Augen besten Verhandler der Welt, in beiden Fällen noch nicht wirklich weitergebracht zu haben. Der US-Verhandlungsexperte Martin Latz hat Trumps Dealmaker-Geschick jetzt in einem Buch eingehend analysiert. Und sich dafür mehr als 100 Deals angesehen, die Trump in den Jahren vor seinem Amtsantritt als Geschäftsmann abgeschlossen oder als Präsident versucht hat, auf den Weg zu bringen. "Der wahre Donald-Trump-Deal: Ein Augen öffnender Blick auf seine wirkliches Verhandlungsgeschick", heißt das Buch. Mitte August kommt es auf den US-Markt.

Für das Online-Magazin Politico hat Latz seine Ergebnisse vorab zusammengefasst. Sein Fazit: Trump überschätze sich maßlos und stehe sich zu oft selbst im Weg. Seine Taktik sei leicht zu durchschauen - und auf zwei Schritte zusammenzufassen.

Schritt eins: Er droht und beschimpft seine Verhandlungspartner. Er baut ein Umfeld auf, das seinem Gegenüber signalisieren soll: Der Typ ist zu allem fähig. Darum feuert er immer wieder Breitseiten ab auf die Nato-Mitglieder, weil die in seinen Augen zu wenig Geld für Verteidigung ausgeben. Darum bezeichnet er jüngst Deutschland als "Gefangenen von Russlands Interessen" oder stellt den kanadischen Premierminister öffentlich als "schwach" und "unehrlich" dar.

Ende Juli hat Trump dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani per Twitter diese Botschaft zukommen lassen. Er solle es "nie, nie wieder" wagen, die USA zu bedrohen. Sonst werde er unter "Konsequenzen leiden, unter denen nur wenige in der Vergangenheit zu leiden hatten". Am Ende schreibt er: "Seien Sie auf der Hut!" Es ist eine Tonart, mit der er als New Yorker Baulöwe versucht hat, auch seine Geschäftspartner kleinzuhalten.

Schritt zwei: Charmeoffensive. Aus dem Nichts heraus ändert er seine Stimmung und sucht den persönlichen Kontakt. Den hält er für mit Abstand das Wichtigste in einem Verhandlungsprozess. Stimmt die Chemie, dann ist alles möglich. So hat er es zunächst mit China gehalten. Im Wahlkampf hatte Trump China noch massiv gedroht. Mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping baute er dann aus seiner Sicht ein freundschaftliches Verhältnis auf.

Wenn es sein muss, dann kann der US-Präsident durchaus einnehmend sein, zuvorkommend, freundlich gar. Das geschieht immer dann, wenn er etwas verkaufen will, erklärt Latz. In Bezug auf Xi hat ihm das allerdings nicht geholfen. Mit China befindet sich Trump heute in einem von ihm selbst angezettelten massiven Handelskrieg. Politik ist eben wesentlich abhängiger von Interessen als von persönlichen Sympathien.

Trump hat sich immer wieder über den Tisch ziehen lassen

Diese aus Sicht von Latz etwas simple Taktik hat auch in Trumps früherem Leben nicht immer funktioniert. Ein ums andere Mal hat er sich über den Tisch ziehen lassen. Für ein gebrauchtes Passagierflugzeug der Marke Boeing soll er viele Millionen Dollar zu viel gezahlt haben. Ähnlich war es mit dem Kauf des New Yorker Plaza Hotels, das er später mit großem Verlust wieder verkaufen musste. Dass Trumps Image als Dealmaker so lange Bestand hat, liegt vor allem daran, dass er selbst es immer wieder betont.

Latz aber misst Trump nicht an Worten. Sondern an fünf Fähigkeiten, die ein guter Verhandler haben sollte:

  • Er sollte überzeugt sein von seiner Position.
  • Er sollte Empathie für sein Gegenüber aufbringen können.
  • Er sollte über gesunden Menschenverstand verfügen.
  • Er sollte flexibel sein.
  • Er sollte ethisch gefestigt sein.

Vieles davon trifft auf Trump nicht oder nur begrenzt zu. Um etwa im Sinne einer guten Verhandlungsstrategie von seiner Position überzeugt zu sein, bedarf es mehr als nur den unerschütterlichen Glauben an sich selbst, schreibt Latz. Ein guter Verhandler hat sich tief in die Materie eingearbeitet und kennt die unterschiedlichen Interessen sehr genau. Er kann seine Position mit Evidenz und Fakten untermauern, kennt aber auch die Argumente der Gegenseite. Er bleibt außerdem sachlich und lösungsorientiert.

Trump ist ohne Zweifel sehr von sich überzeugt. Wenn es aber um vertieftes Wissen geht, zeigt er Schwächen. Legendär sind Beschreibungen, dass seine Aufmerksamkeitsspanne zwei Minuten kaum übersteigt. Er prahlte gar damit, sich auf den Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un kaum vorbereiten zu müssen. Das Ergebnis ist bekannt: ein dürres Papier, kaum mehr als eine Absichtserklärung.

Außerdem hat Trump sich immer wieder mit kurzfristigen Bauchentscheidungen und plötzlichen Wutausbrüchen um den guten Deal gebracht. Noch mal der Gipfel mit Kim: Ohne jede Absprache mit den Partnern und ohne Gegenleistung verspricht er Kim, die gemeinsamen Manöver der USA mit Südkorea aufzugeben. US-Außenminister Mike Pompeo bringt das in die missliche Lage, dass er Nordkorea nicht mal auf einen groben Zeitplan für die nukleare Abrüstung festnageln kann.

Trumps Taktik verspricht eigentlich nur dann Erfolg, wenn er in einer unabweislichen Situation der Stärkere ist. Anfang Juli etwa lässt er den Pharma-Giganten Pfizer per Twitter wissen, das Unternehmen solle sich schämen, die Preise für bestimmte Medikamente ohne jeden Grund erhöhen zu wollen. Das hat den Pfizer-Vorstand derart aufgeschreckt, dass er die Preiserhöhungen erst mal ausgesetzt hat. Begründung: Das Unternehmen wolle gute Beziehungen zum Weißen Haus. Auch in den USA ist die Pharmaindustrie stark abhängig von regulatorischen Eingriffen der Regierung.

Was Latz in Trumps Auftritten als Verhandler noch vermisst: Die Fähigkeit zuzuhören, sowie seinen Gegenüber ernst nehmen und verstehen zu wollen. Trump hört sich stattdessen lieber selbst reden. Andere Positionen lässt er zwar zu. Wenn sie ihm aber völlig gegen den Strich gehen, lässt er das seine Gegenüber unmissverständlich wissen. Kritiker im Weißen Haus hat er so nach und nach durch Leute ersetzt, die ihm kein Kopfzerbrechen bereiten.

John McCain zeigte Trump seine Grenzen auf

Wohin es führen kann, wenn Trump politische Gegner nicht für voll nimmt, hat ihm der republikanische Senator John McCain vor kaum einem Jahr sehr klar gezeigt. McCain gilt als Kriegsheld. Er war einst Kriegsgefangener im Vietnamkrieg und hat Folter über sich ergehen lassen müssen - während Trump sich mit einem ärztlichen Attest über einen angeblichen Fersensporn dem Militärdienst entzog.

Dennoch hat Trump McCain mehrfach vorgehalten, gar kein Held zu sein. Er sei ja nur ein Gefangener gewesen. Der todkranke McCain hat seinen Moment, als er in einer entscheidenden Abstimmung über die Abschaffung der Gesundheitsreformen von Barack Obama im letzten Moment den Daumen senkt. Und damit Trump seine bisher größte politische Niederlage einbringt.

In seinen frühen Jahren als Geschäftsmann, da sei Trump noch kreativ aber prinzipienfest gewesen, schreibt Latz. Davon sei heute nicht viel zu sehen. Es sei oft gar nicht mehr erkennbar, welche Position Trump eigentlich einnehme. In vielen Politikbereichen verspreche er heute dies, morgen etwas diametral anderes. Dazu gehören etwa seine widersprüchlichen Aussagen zu einer Reform des Waffenrechts oder der Gesundheitspolitik.

Dort aber, wo Flexibilität nötig wäre, da ist er unverhältnismäßig stur. In der Handelspolitik etwa lässt er es lieber auf einen zerstörerischen Handelskrieg ankommen, als in Verhandlungen auf Fakten einzugehen, die seinen Glauben eigentlich erschüttern müssten, dass die USA überall nur das Opfer sind.

Mit Iran will er jetzt jederzeit verhandeln, sagt Trump. Die iranische Seite zeigt ihm noch die kalte Schulter. Es ist schließlich Trump, der eine bestehende Vereinbarung gebrochen hat. Was der US-Präsident unterschätzt: Es gehört ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen dazu, wenn sich die Vertreter zweier verfeindeter Staaten an einen Tisch setzen sollen. Es gibt nämlich keine höhere Instanz, die im Streitfall schlichten kann. Aber warum sollte Trump noch jemand vertrauen?

Zur SZ-Startseite
President Trump Participates In The Signing Ceremony For S. 204, The 'Right to Try' Act

Nordkorea-Gipfel
:Trumps Dealmaker-Image - nur ein Mythos

Am 12. Juni will US-Präsident Trump auf Kim Jong-un treffen und sich als bester Verhandler aller Zeiten präsentieren. Zehn Gründe, warum er das nicht ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: