Trump-Sieg bei der US-Wahl:President Ego

Donald Trump verspricht jetzt, das Land zu einen - was für eine Botschaft nach diesem Wahlkampf: Kann der Mann, der mit Provokationen und "Postfaktischem" berüchtigt wurde, überhaupt noch Präsident aller Amerikaner werden?

Porträt von Sebastian Gierke

Es gibt nur Gewinner und Verlierer in der Welt von Donald Trump. Und er ist ein Gewinner. Dabei bleibt es auch nach dem 8. November 2016. Die Menschen rufen "USA, USA!", 2.48 Uhr New Yorker Zeit, da betritt Donald Trump als gewählter Präsident der USA die Bühne seiner Wahlparty.

Er klatscht, er lächelt, aber nur ein wenig. Seine Rede beginnt er mit den Worten: "Ich habe gerade einen Anruf von Hillary Clinton bekommen." Jubel brandet auf. Sie habe ihm und seinen Wählern gratuliert. Und dann gratuliert er selbst seiner Gegnerin. Er wählt versöhnliche Worte, er lobt Clinton für die Verdienste ums Land.

Donald Trump ist jetzt Präsident. Donald Trump ist kein Wahlkämpfer mehr. Er kann sich wandeln, das will er mit dieser Rede signalisieren.

"Es ist Zeit für uns, zusammenzukommen, als eine Nation", sagt er. Der erhobene Zeigefinder, den er so oft im Wahlkampf gezeigt hat, ist kaum zu sehen. "Ich verspreche, dass ich Präsident für alle Amerikaner sein werde." Donald Trump ist eine Larger-than-life-Figur. Einer, der nur in den USA so weit kommen konnte, einem Land, in dem der amerikanische Traum immer noch das Denken bestimmt. Der Traum, durch eigene Leistung, ganz nach oben zu kommen. Ein Traum, der im Land der Ungleichheit zwar mittlerweile jeder Grundlage entbehrt, der aber tief in der psychischen Struktur des Landes verankert ist.

Trump spricht in ruhigem, konzentriertem, ja, warmem Ton darüber, den amerikanischen Traum zu erneuern. Er spricht über eine bessere Zukunft. Und gibt noch einmal einen kurzen Abriss über sein Wahlprogramm. Kein Triumphgeheul, wie es vielleicht viele erwartet hatten. Stattdessen bedankt er sich bei seiner Familie, bei seinem Wahlkampfteam. Minutenlang geht das so. Keine Beleidigung, keine Ausfälle. Die Arbeit an dieser, seiner Bewegung, die "wird jetzt erst beginnen".

Wird Donald Trump an diesem Abend zum Politiker? Er hat einen sensationellen Sieg geschafft, den kein Analyst oder Prognostiker vorher erwartet hatte - diese Wahlnacht des 8. November hat sehr viele Menschen überrascht, und wenn er wirklich Präsident der USA und nicht nur Präsident seiner Bewegung werden will, dann muss er nun einige Wunden heilen, die allen voran er selbst im Wahlkampf aufgerissen hat.

Die Statistiken zeigen, dass Trump Präsident wird, weil er die meisten Wahlmänner der US-Bundesstaaten auf sich vereint. Die meisten Stimmen insgesamt aber hat den Prognosen der Wahlnacht zufolge wohl Clinton gewonnen. Trump ist Präsident, aber ohne eine Mehrheit des Volkes im Rücken: So kann man das Ergebnis dieses Abends auch lesen. Es macht klar, wie viel Überzeugungsarbeit er noch leisten muss und wie er das Land in den vergangenen Monaten polarisiert hat.

So einer darf Menschen beleidigen, wie es ihm passt - oder?

Von den Amerikanern ist er in diesem Wahlkampf alles andere als präsidial wahrgenommen worden. Er war die vergangenen eineinhalb Jahre eine Art TV-Star, eine Showgröße, ein stinkreicher Geschäftsmann, der das politische Geschäft aufmischen will. Jemand, von dem man gewohnt ist, dass er sich hin und wieder danebenbenimmt. So einer darf Menschen beleidigen, wie es ihm passt, darf vulgär sein. Er ist eine Projektionsfläche für das Unkonventionelle im klassischen Politikbetrieb: endlich einer, der sich nicht verstellt, der erfrischend ist, auf die Kacke haut!

Trump lebt dafür, verehrt und bewundert zu werden

Trumps Ego ist gewaltig. Er ist geradezu fanatisch überzeugt von sich. Ein Angeber, der sich selbst ständig "wonderful" oder "fabulous" oder "great" nennt. TRUMP. Das ist nicht nur ein Name, das ist eine Marke, die Trump überall draufschreiben muss. TRUMP-Tower, TRUMP-Wodka, TRUMP-Unterwäsche, TRUMP-Tee, TRUMP-Krawatten. Einer wie er braucht niemanden neben sich. "Ich spreche mit mir selbst, als Allererstes, weil ich ein sehr gutes Gehirn habe und weil ich viele Dinge gesagt habe", hat Trump auf die Frage geantwortet, wen er in außenpolitischen Fragen um Rat bitten würde.

Ein typischer Trump-Satz. Ein Quatsch-Satz ohne Sinn und Struktur. Tatsächlich sind seine Gedankengänge oft assoziativ. Er beginnt irgendwo und kommt an einer völlig anderen Stelle raus. Am Anfang eines Satzes spricht Trump über Bildungspolitik und am Ende landet er bei einer Tirade über die von ihm unterstellte Verderbtheit seiner Konkurrentin Hillary Clinton. Dazwischen: Wirrnis, die aber klingt, als spräche da einer - und in diesem Fall passt die Floskel -, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Dafür verehren ihn Millionen Amerikaner. Und nicht nur dafür.

Man versteht das Ego dieses Menschen eher, wenn man seine Aufsteigergeschichte kennt. Donald John Trump wurde am 14. Juni 1946 im New Yorker Stadtteil Queens geboren. Seine Vorfahren stammen aus Deutschland und Schottland. Trump besuchte die renommierte Wharton School of Finance. Vater Fred hat seinen Sohn mit Sätzen wie "Sei ein Killer" oder "Du bist ein König" erzogen, schreibt der Biograf Michael D'Antonio. Donald übernahm seine Immobilienfirma im Jahr 1971. Er hat sich seither ein Firmenimperium aufgebaut. Sein 1987 veröffentlichtes Buch "The Art of the Deal" - Autobiografie und Ratgeber für Manager zugleich - bewirbt Trump mit den Worten: "Es ist mein zweitliebstes Buch. Nur die Bibel ist besser."

Trump konzentrierte sich auf Luxusprojekte, baute in Manhattan Wolkenkratzer, investierte in Casinos. Nicht immer hatte er dabei Erfolg, vier seiner Firmen gingen Bankrott, auch er selbst stand einige Male kurz vor der Pleite. Wie viel Geld Trump besitzt, ist unklar. Forbes schätzt sein Vermögen auf 4,5 Milliarden US-Dollar, Trump selbst nennt diesen Wert viel zu niedrig, spricht von zehn Milliarden. Doch weil er sich geweigert hat, seine Steuererklärung zu veröffentlichen, kann das nicht überprüft werden.

Ins Showbusiness stieg Trump als Produzent der "Miss USA" und der "Miss Universum"-Wahlen ein. In den USA ist er aber vor allem mit seiner Reality-TV-Show "The Apprentice" (auf Deutsch "Der Lehrling") bekannt geworden. Darin präsentierten ihm zwei Teams von Möchtegern-Unternehmern Geschäftsideen - am Ende bestimmte Trump den Sieger. Den mittlerweile berühmten Trump-Satz "You're fired" bekamen die zu hören, die ihn nicht überzeugten.

Trump, die Ego-Maschine, schon immer: Er war jahrelang dauerpräsent im US-Fernsehen, gab ständig selbstherrlich Interviews. Seine Hybris zeigte sich auf fast komische Art und Weise, als Trump seinen eigenen PR-Agenten spielte. Unter den falschen Namen John Miller oder John Barron rief er in den 1980er und 1990ern bei New Yorks Boulevardkolumnisten an, und erzählte, wie grandios ein gewisser Donald Trump sei - und wie viele Frauen sich sexuell zu ihm hingezogen fühlten. Die Washington Post hat eines dieser unfassbaren Gespräche dokumentiert: Darin spricht John Miller darüber, wie Carla Bruni Mick Jagger für einen gewissen Donald Trump fallen ließ.

"Ich nutze die Medien auf die gleiche Art, wie die Medien mich benutzen"

Donald Trump ist dreimal verheiratet. Diesen Umstand muss man, was sein Verhältnis zu Frauen angeht, als den geradezu normalsten ansehen. Trump hat ständig darüber gesprochen, wie er auf Frauen wirkt. Nicht nur jene, mit denen er verheiratet war. Er sieht sich selbst als Jäger, die Frauen als Trophäen. Am deutlichsten ist das in dem im Oktober veröffentlichten Skandalvideo geworden, in dem er davon spricht, fremde Frauen an den Geschlechtsteilen zu begrapschen. Und immer wieder kokettiert er sogar damit, wie gern er seine Tochter Ivanka daten würde, "wenn ich nicht glücklich verheiratet und ihr Vater wäre. Sie ist eine Schönheit." Wenn Trump Frauen nicht mag, greift er zu Beschimpfungen wie "fette Schweine", "Hündin" oder "ekelhaft". Und als er in der ersten Vorwahl-TV-Debatte von der Moderatorin Megyn Kelly darauf angesprochen wurde, versuchte Trump vergeblich, dies mit einem Witz abzutun. Er entschuldigte sich nicht, sondern attackiert Kelly und sagte in Anspielung auf den Menstruationszyklus: "Aus ihren Augen kam Blut, Blut kam aus ihr heraus, von wo auch immer."

Trump und die Medien - das ist seit langem eine symbiotische Beziehung gewesen. Er provoziert und emotionalisiert, erst im Business und Showbusiness, seit seiner Kandidatur auch in der Politik, und gerade US-Massenmedien können mit Provokationen und Emotionen gut Quote machen. "Ich benutze die Medien auf die gleiche Art, wie die Medien mich benutzen: um Aufmerksamkeit zu erzielen. Und wenn ich diese habe, dann nutze ich sie zu meinem Vorteil", schreibt Trump selbst in seinem Buch "Crippled America". Er bewegt sich im Grenzgebiet zwischen Politik und Entertainment, ist in den sozialen Medien dauerpräsent. Trump, die Aufmerksamkeits-Maschine, das Marketing-Genie. Selbst sein blonder Haarhelm sei Teil einer Strategie und diene dazu, Aufmerksamkeit zu erzeugen, schreibt Biograf D'Antonio.

Trump lebt in diesem Sinne nicht zuletzt dafür, verehrt und bewundert zu werden. Er verkündet ständig seine eigene Überlegenheit, recht eindimensional, getrieben von Prahlsucht. Die Welt, so wie Trump sie sieht, ist ein brutaler Kampfplatz. In seinem Buch "Trump: Think Big" hat er beschrieben, wie wichtig für ihn Rache ist: "When someone crosses you, my advice is 'Get even!' That is not typical advice, but it is real-life advice. (...) I love getting even."

Realität wird erst erzeugt

Fakten spielen für Trump keine Rolle. Er hat im Wahlkampf gelogen, wann immer es ihm passte. Dass jetzt überall vom postfaktischen Zeitalter gesprochen wird, ist auch seine Schuld. Dabei bleibt ungewiss, ob er sich darüber im Klaren ist, dass er die Wahrheit so gebogen oder offen gelogen hat wie kein Präsidentschaftskandidat vor ihm, oder ob er einfach alles, was aus seinem Mund kommt, automatisch für wahr hält.

Für diesen Moderator seiner persönlichen Ego-Show zählen der Wille zur Macht, die Emotionen, die Bilder. Medien bilden in seiner Welt die Realität nicht ab, sondern sie erzeugen die Realität in der Inszenierung erst. Trump sieht sie als Werkzeug, um eine zweite Realität zu schaffen, eine, in der alle Fakten interpretierbar sind, in der es auf Wahrheit nicht mehr ankommt.

In dieser Realität gelten die Trump-Regeln, die Regeln des Showmans, die Regeln des Gewinners. Tabus? Passé! Man kann rassistisch sein, frauenfeindlich oder einfach nur wütend, wenn es nur siegen hilft. Das hat er im Wahlkampf immer wieder bewiesen.

Trump ist der gefährlichste Politiker-Typus: Er hat von vielen Inhalten keinen Schimmer, kokettiert aber damit, nichts mehr lernen zu müssen. Er ist great. Und in diesem Verständnis macht er "America great again".

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