Rede in El Paso:Trump im Rumpelstilzchen-Modus

Donald Trump 2019 bei einer Rede in El Paso

Donald Trump lässt seine Fans jetzt "Finish the Wall" rufen. Dabei hat der Bau der Mauer noch gar nicht begonnen.

(Foto: REUTERS)
  • In der texanischen Grenzstadt El Paso hält Trump seine wahre Rede zur Lage der Nation: spalterisch und aufwiegelnd. Denn "das macht mehr Spaß".
  • Kurz zuvor haben sich Demokraten und Republikaner auf eine Lösung im Streit um Geld für Trumps Mauer zu Mexiko geeinigt. Das kann Trump eigentlich kaum gefallen.
  • Seinen Fans verspricht er lieber, eine Mauer fertigzustellen, die noch gar nicht existiert.

Von Thorsten Denkler, New York

Im Publikum des "El Paso County Coliseum" haben einige die neue Botschaft offenbar noch nicht mitbekommen. Am Anfang der Rede von Donald Trump kommen Sprechchöre auf: "Build the Wall! Build the Wall! Build the Wall!" - Baut die Mauer! Auf den großen Schildern rechts und links der einige Meter über das Rednerpult gespannten US-Flagge aber steht Trumps neueste Mauer-Botschaft: "Finish the wall." Als wäre die Mauer schon so gut wie fertig. Was natürlich Quatsch ist. Bisher wurden lediglich bestehende Befestigungsanlagen renoviert oder aufgerüstet. Aber was macht das schon, das ist eine Trump-Veranstaltung. Fakten interessieren nicht.

Trump unterbricht die Sprechchöre: "Was ihr wirklich meint, ist 'Finish the wall'. Wir haben schon eine Menge Mauer gebaut. Also 'Finish the wall'!"

Es ist Trumps erste Wahlkampfrede seit den Zwischenwahlen am 8. November vergangenen Jahres. Und eine, in der er Dampf ablassen kann. Vergangene Woche noch, in seiner Rede zur Lage der Nation, da hat er - dem Anlass entsprechend - versucht, irgendwie versöhnlich zu klingen. Er sei bereit, mit allen zusammenzuarbeiten, hatte er gesagt. Nicht als zwei Parteien, sondern "als eine Nation". Und dass die Politiker des Landes jetzt "das grenzenlose Potenzial von Kooperation, Kompromiss und dem Gemeinwohl umarmen" müssten.

Nichts, was er hier wiederholen möchte. "So sanft, das hätte hier nicht funktioniert, oder?" Jubel. "Das hier macht mehr Spaß."

Trump spielt sein übliches Programm ab

Jetzt hält er also seine wahre Rede zur Lage der Nation. Er peitscht die Leute auf, prügelt auf die Medien ein, die ihn ja ach so schlecht behandeln.

Er kramt angeblich tolle Umfragewerte heraus, die mit der Realität wenig gemein haben. Verurteilt mal wieder die Russland-Ermittlungen als Hexenjagd gegen ihn. Und behauptet, dass vor der Halle Zehntausende Menschen vergeblich auf Einlass gehofft hätten. Und in der Halle 4000 Menschen mehr seien als von der Feuerwehr erlaubt. Was ihm eben wichtig ist. Der übliche Mix.

Faktenchecker dürften wieder kaum hinterherkommen, Trumps Falschbehauptungen kenntlich zu machen, die im Dutzend über seine Lippen kommen. Aber das sind ja, wie Trump sagt, die "unehrlichsten Leute in den Medien".

Neu ist, dass er seinen Fans hier seine Agenda als eine "Mainstream-Agenda" verkauft, als "eine Agenda des gesunden Menschenverstandes". Zumindest wenn es um die Mauer geht, liegt er falsch. Die Mauer wird von einer stabilen Mehrheit der Amerikaner abgelehnt.

Für die Mauer will Trump dennoch 5,7 Milliarden Dollar Anfangsfinanzierung, die der Kongress freigeben muss. Die Demokraten aber haben jetzt die Mehrheit im Repräsentantenhaus, einer der beiden Kongress-Kammern. Und sie wollen dem Präsidenten auf gar keinen Fall etwas spendieren, das Trump dann "Mauer" nennen kann. Über den Budgetstreit hat es Trump kurz vor Weihnachten zum Stillstand der Regierung kommen lassen. 35 Tage lang hat der Shutdown das Land gelähmt.

Am Freitag läuft ein weiteres Ultimatum ab. Wenn dann kein Kompromiss da ist, könnte es zum nächsten Shutdown kommen. Am späten Montagabend aber haben Demokraten und Republikaner im Kongress offenbar eine Lösung gefunden, die einen weiteren Shutdown verhindern soll. Die Washington Post schreibt, dass die Lösung etwa 1,4 Milliarden Dollar für "Barrieren" entlang der Grenze vorsieht. Und auf einer Strecke von etwa 90 Kilometern Barrieren, wo es bisher noch keine gibt. Das ist deutlich weniger, als Trump gefordert hatte. Am Mittwoch soll das Paket dem Kongress vorgelegt werden.

Die große Frage ist, ob Trump die Lösung mitträgt

Den Leuten in El Paso erzählt er, er habe kurz vor seinem Auftritt erfahren, dass es Fortschritte gebe. Angeblich war ihm das egal. "Ich hätte stehenbleiben können, um mir das anzuhören. Oder zu euch herauskommen. Ich habe mich für euch entscheiden."

Aber Trump ist plötzlich erstaunlich vorsichtig. Während des Shutdowns hatte er noch versprochen, kein Gesetz zu unterschreiben, das nicht 5,7 Milliarden Dollar für seine Mauer vorsieht. Jetzt sagt er, er werde kein Gesetz unterschreiben, "das die Masseneinwanderung von Flüchtlingen zulässt". Das zumindest lässt hoffen, dass nicht wieder 800 000 Bundesangestellte für Tage oder Wochen ohne Bezahlung bleiben.

In El Paso wirbt er dennoch für seine Mauer. Er hätte auf den ersten Blick keinen besseren Ort finden können. Nur der Rio Grande trennt die 680 000 Einwohner von El Paso von den etwa 1,3 Millionen Bürgern der mexikanischen Nachbarstadt Ciudad Juárez.

In Trumps Augen ist El Paso ein Paradebeispiel dafür, dass eine Grenzmauer funktioniert. Seit Wochen schon erzählt er die Geschichte, dass El Paso einst "die gefährlichste Stadt der USA" gewesen sei, mit vielen extremen Gewaltverbrechen. Bis dort ein hoher Grenzzaun errichtet wurde. Seitdem gehöre El Paso zu den vier sichersten Städten der USA, sagt Trump.

Trump hat sich die falsche Stadt für seine Fehlbehauptungen ausgesucht

Zuletzt hat er das auch in seiner Rede zur Lage der Nation vergangenen Dienstag vor dem versammelten Kongress behauptet. In einer Rede in New Orleans im Bundestaat Louisiana sagte er Mitte Januar gar, der Wandel in El Paso sei praktisch "über Nacht" gekommen. Unsicher, Zaun her - und zack, alles sicher. So etwa.

Nur stimmt Trumps Geschichte leider nicht.

Nach seiner State of the Union Address hagelte es Kritik aus El Paso. Unter anderem von Jon Barela, Chef der "Borderplex Alliance", die sich in der Region für grenzüberschreitende Wirtschaftsförderung starkmacht. Barela ist Republikaner, sein Leben lang schon, schreibt er auf Twitter. Aber was Trump über El Paso sagt, sei schlicht "eine Lüge". El Paso sei schon sicher gewesen, bevor der Grenzzaun kam. Der Präsident, schreibt er, lebe offenbar "in einem alternativen Universum". Eine Position, der sich auch der republikanische Bürgermeister der Stadt, Dee Margo, angeschlossen hat.

Direkt gegenüber der Halle hält der Demokrat Beto O'Rourke eine Gegenveranstaltung ab. Von ihm wird erwartet, dass er bald seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2020 verkündet. "Mauern retten keine Leben. Mauer beenden Leben", ruft O'Rourke seinen Anhängern zu. Trump macht sich lustig über ihn. "Wir haben, sagen wir, 35 000 Leute heute Abend. Und er hat 200 Leute, 300 Leute - nicht so gut. Ich würde sagen, das ist das Ende seiner Präsidentschaftsambitionen."

Das Bezirksparlament von El Paso hat noch am Montag eine Resolution verabschiedet, in der es heißt, Trump habe das County "mit seinen Lügen über die Grenze und ihre Gemeinschaft desillusioniert". In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben sich die wichtigsten Vertreter der Stadt am Montag über Parteigrenzen hinweg gegen Trump gestellt.

El Paso war auch ohne Grenzzaun sicher

Die demokratische Kongressabgeordnete für El Paso, Veronica Escobar, liefert in ihren Tweets gleich mehrere Belege dafür, dass Trump El Paso in ein falsches Licht gesetzt hat. Einen Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 2000 etwa. Darin wird eine Studie zitiert, die El Paso im Ranking der sichersten Großstädte der USA auf Rang drei sieht. Einen weiteren aus dem Jahr 2003. Darin ist El Paso schon Nummer zwei.

Der etwa 1100 Kilometer lange, doppelreihige und mit Infrarotkameras bestückte Grenzzaun, der in El Paso am Rio Grande entlang verläuft, ist aber erst ab 2006, noch unter Präsident George W. Bush, erbaut worden. Fertig wurde er in El Paso erst 2010. Tatsächlich haben die meisten grenznahen Städte in den USA geringere Kriminalitätsraten als Städte im Inland. Ob mit oder ohne Grenzbefestigung.

So viel Gegenwind scheint Trump nicht erwartet zu haben. In seiner Rede giftet er gegen alle, die ihn widerlegt haben. "Die sagen, die Kriminalität ist nicht wegen der Mauer gesunken. - Doch, ist sie!" Beweise liefert er dafür nicht. Ein bisschen sieht er in dem Moment aus wie das Rumpelstilzchen, das nicht wahrhaben will, dass die Prinzessin seinen Namen kennt. Im Märchen hat sich das Rumpelstilzchen am Ende - je nach Version - vor Wut selbst entzweigerissen. So weit wird Trump nicht gehen.

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