Streit der grünen Alpha-Männer Fischer und Trittin:In Abneigung verbunden

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Der gerade bei den Grünen abgetretene Jürgen Trittin lästert über den schon vor acht Jahren abgetretenen und ihm in herzlicher Abneigung verbundenen Joschka Fischer, der mit der Lästerei überhaupt erst angefangen hat. Dabei könnte man es belassen - wenn die Begebenheit nicht so viel über die Grünen und ihren aktuellen Zustand aussagen würde.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann, Berlin

Jürgen Trittin, ehemaliger Grünen-Fraktionschef, abgetreten vor ein paar Wochen, hat sich gegen die Kritik verteidigt, die der ehemalige Außenminister Joschka Fischer, abgetreten vor acht Jahren, nach der Bundestagswahl geäußert hatte. "Den halten wir jetzt auch noch aus", hat Trittin gesagt, und dass man sich nach einer Wahlniederlage "allerlei naseweises Zeug" anhören müsse.

So weit, so gut: Ein Ehemaliger lästert über einen anderen, ihm in Abneigung verbundenen Ehemaligen, der mit der Lästerei überhaupt erst angefangen hat. Dabei könnte man es belassen - wenn die Begebenheit nicht so viel über die Grünen und ihren aktuellen Zustand aussagen würde.

Vor zwei Wochen haben sie sich bei ihrem Parteitag noch einmal breiterer Aufmerksamkeit erfreuen dürfen, es gab Selbstkritik, Abschiede und eine neue Parteiführung zu besichtigen. Das mit Abstand Interessanteste, was seither von den Grünen zu hören war, ist nun das Trittin-Gegifte über Fischer - mal abgesehen vom soeben zum Weltpolitiker aufgestiegenen Hans-Christian Ströbele. Der ist 74 Jahre alt, weshalb man mit einigem Recht behaupten darf, dass ältere bis alte Männer derzeit der einzige Grund sind, sich überhaupt für die Grünen zu interessieren.

Ja, man muss neuen politischen Führungskräften Zeit geben, höflicherweise sollten es ja sogar 100 Tage sein. Man muss auch nicht in den ersten paar Wochen gloriose Einfälle haben, wie man die nächste Wahl gewinnt. Das Problem ist vielmehr, dass der Grundsatzkonflikt bei den Grünen ungelöst geblieben ist. In den Wochen nach der Niederlage gab es zwar zuhauf Kritik am vermeintlich zu linken Programm - aber keine schlüssige Idee, wie genau es jetzt eigentlich weitergehen soll.

Nach Trittins Rückzug dürfte eine Phase der Ratlosigkeit folgen

Das Ziel des Steuerprogramms hieß Expansion: Die Grünen wollten sich über ihre Kernwählerschaft hinaus verbreitern und entschieden sich dafür, nach links zu wachsen. Das ist danebengegangen - doch all diejenigen, die nun erklären, man müsse sich viel stärker um die sogenannten bürgerlichen Kreise bemühen, sollten erst mal erklären, wie genau das eigentlich gehen soll. Die Antwort, man müsse eben wieder stärker auf das Kernthema Ökologie setzen, führt da nicht weiter, sondern bedient letztlich auch wieder nur die Kernwähler.

Hier schließt sich der Kreis zu Fischer und Trittin. Beide haben ja nicht nur gemeinsam, dass sie sich nicht ausstehen können, sondern auch, dass sie zu ihrer Zeit die unbestrittenen Dominatoren der Partei waren. Auf Fischers Abgang folgte eine Phase der Ratlosigkeit, so wie nun auf Trittins Abgang eine folgen dürfte. Der Unterschied besteht darin, dass die Aufgabe vor acht Jahren lautete, sinn- und maßvoll von Regierung auf Opposition umzuschalten - während sie nun lautet, aus der Opposition irgendwann mal herauszukommen.

Es wäre ein erster Schritt in diese Richtung, wenn nicht mehr nur die älteren Herrschaften Gesprächsstoff bieten würden, sondern die neuen Spitzen von Partei und Fraktion. 100 Tage vergehen in der Regel schneller, als man sich das vorstellt.

© SZ vom 04.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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