Strafgericht:Del Ponte will Angeklagte selbst suchen

Die Chefanklägerin des Haager UN-Tribunals ist die mangelnde Kooperation bei der Jagd nach Kriegsverbrechern leid.

Bernhard Küppers

Die Chefanklägerin des Haager Tribunals für Kriegsverbrechen, Carla Del Ponte, hat angekündigt, sie wolle den UN-Sicherheitsrat um "Befugnisse und Mittel" ersuchen, um künftig flüchtige Angeklagte selbst dingfest zu machen.

Strafgericht: Die Chefanklägerin des Haager Tribunals für Kriegsverbrechen, Carla Del Ponte

Die Chefanklägerin des Haager Tribunals für Kriegsverbrechen, Carla Del Ponte

(Foto: Foto: Reuters)

Grund sei die mangelnde Kooperation von Staaten wie Serbien, aber auch Russland. In ihrem Halbjahresbericht vor dem UN-Sicherheitsrat bemängelte Del Ponte fehlenden politischen Willen, Kriegsverbrecher wie Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu verhaften.

Sie kritisierte die russischen Behörden, weil sie einen angeklagten Serben nach seiner Festnahme im vorigen August noch immer nicht ausgeliefert hätten.

Die UN-Verwaltung des Kosovo (Unmik) wiederum fördert laut Del Ponte ein Klima, das Zeugen vor Aussagen gegen albanische Angeklagte abschrecke. Außerdem behindere sie den Zugang zu Dokumenten. Unter Erwähnung auch der Nato und Friedenstruppe der EU in Bosnien (Eufor) klagte Del Ponte, dass "niemand aktiv" nach dem früheren bosnischen Serbenführer Karadzic suche.

Wie erwartet, bewertete die Anklägerin die Zusammenarbeit Serbiens mit dem Tribunal als "frustrierend". Die Belgrader Behörden schienen den Ex-Armeechef Ratko Mladic noch immer zur freiwilligen Übergabe bewegen zu wollen statt ihn zu verhaften. Die Festnahme von mutmaßlichen Helfern Mladics lasse "die nötige Diskretion" vermissen. Eine Zusammenarbeit des Geheimdienstes fehle "total". Es gebe offenbar "Widerstand innerhalb des Systems".

Auf Drängen der Chefanklägerin setzte die EU Anfang Mai die Assoziierungsverhandlungen mit Serbien aus. "Serbien hat die größte Verantwortung, alle sechs flüchtigen Angeklagten zu finden", sagte Del Ponte. Ihres Wissens befänden sich außer Mladic drei weitere Angeklagte in Serbien.

Überdies gebe es "Spuren, die Serbien mit Karadzic verbinden". "Die Festnahme von Karadzic ist eine geteilte Verantwortung Serbiens, der Republika Srpska, Nato und Eufor", sagte die Anklägerin. Die geplante Reduzierung der Truppenstärke von Eufor werde diese Aufgabe erschweren.

"Besonders enttäuscht" zeigte sich Del Ponte darüber, dass die russischen Behörden nach eigenen Angaben Slobodan Milosevics letzten Polizeichef Vlastimir Djordjevic nicht fänden. Er soll sich seit 2001 in Russland aufhalten und ist wegen Verbrechen im Kosovo angeklagt.

"Ohne Erklärung" habe Moskau den im August 2005 festgenommenen Dragan Zelenovic noch nicht ausgeliefert. Der bosnische Serbe soll muslimische Frauen misshandelt und vergewaltigt haben.

Der Präsident des Tribunals, Fausto Pocar, teilte mit, dass die Anklage sich in künftigen Prozessen auf weniger Vorwürfe konzentrieren wolle. Kritik an zu vielen Anklagepunkten war laut geworden, als der frühere Belgrader Machthaber Slobodan Milosevic im März nach dreijähriger Verhandlung starb.

Das Gericht wolle bis 2009 die Prozesse beenden, wenn es bis dahin alle flüchtigen Angeklagten habe, sagte Pocar.

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