Störerhaftung:Freies Wlan für alle

Bislang konnten Anbieter von Drahtlosnetzwerken für den Missbrauch öffentlicher Netzzugänge verantwortlich gemacht werden. Nun hat die Koalition beschlossen, dass kein Passwortschutz mehr nötig ist. Deutschland soll Wlan-Land werden.

Von Guido Bohsem, Berlin

Deutschland soll nach dem Willen der schwarz-roten Koalition zum Wlan-Land werden. Die Netzpolitiker der Union und der SPD verständigten sich am Mittwoch darauf, die rechtlichen Auflagen für öffentlich betriebene Drahtlos-Netzwerke abzuschaffen. Wer sein Wlan künftig unverschlüsselt lässt, muss damit keine Abmahnungen oder anderen rechtlichen Konsequenzen mehr befürchten. Das Gesetz wird voraussichtlich im Herbst in Kraft treten. Dann ist mit einer starken Zunahme von öffentlichen Wlan-Netzen zu rechnen in Cafés, Restaurants, an öffentlichen Plätzen sowie durch private Anbieter.

Konkret einigten sich die Netzpolitiker auf die Abschaffung der sogenannten Störerhaftung. Aktuell kann der Betreiber eines Wlan dafür haftbar gemacht werden, wenn darin jemand gegen geltendes Recht verstößt, also zum Beispiel illegal kopierte Fernsehsendungen, Filme oder Musikstücke verbreitet. Dadurch ist eine regelrechte Industrie entstanden, die den betroffenen Wlan-Betreibern mit überhöhten Abmahngebühren zu Leibe rückt. Für einen illegal getauschten Film wurden beispielsweise durchschnittlich etwa 800 bis 1000 Euro verlangt. Nach einer Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband waren bis 2012 bereits mehr als vier Millionen Abmahnungen verschickt worden. Neuere Erhebungen gibt es nicht. Inzwischen dürfte die Zahl weit höher sein.

Die Störerhaftung hat dazu geführt, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern nur wenige öffentlich zugängliche Wlan-Angebote entstanden sind. So kommen laut Verband der deutschen Internetwirtschaft (Eco) hierzulande nur 1,87 sogenannte Hotspots auf 10 000 Einwohner, während es in Frankreich etwa dreimal und in Schweden sogar mehr als fünfmal so viele gibt. Nun wird erwartet, dass die Freifunk-Bewegung Auftrieb erhält, die ein großräumiges öffentliches Wlan durch die Koppelung privater Anschlüsse herstellen möchte.

Die Einigung war nach monatelangen Streitigkeiten in der Koalition gefallen. Im Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums war ursprünglich vorgesehen, dass öffentliche Netzwerke mit einer Vorschaltseite versehen werden sollten. Dort hätte dann der Nutzer vor dem Gang ins Internet erklären müssen, sich an die rechtlichen Spielregeln zu halten. Dagegen hatten die Wirtschaft und die Netzgemeinde heftig protestiert. Zum Umdenken kam es aber erst, nachdem der Generalanwalt vor dem Europäischen Gerichtshof die deutsche Praxis als bedenklich bewertet hatte.

"Der Weg für mehr freies Wlan in Deutschland ist endgültig frei", sagte der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil. Nach Worten des CDU-Netzpolitikers Thomas Jarzombek wird der Kompromiss für viele Unternehmen die Möglichkeit bringen, Kunden zu gewinnen und zu binden. "Gerade in Restaurants, Cafés und Ferienwohnungen sind Angebote wie der Internetzugang immer stärker nachgefragt." Die Verbraucherzentrale begrüßte die Einigung. Nun müsse niemand mehr befürchten, als Störer in Haftung genommen zu werden.

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