Snowden-Affäre:Die EU muss Whistleblower per Gesetz schützen

Snowden warns of looming mass surveillance in Japan Former U S National Security Agency contractor

Dass er ausgerechnet in Moskau Zuflucht gefunden hat, ist für Edward Snowden schwer zu ertragen.

(Foto: imago/Kyodo News)

Edward Snowden harrt immer noch in Moskau aus - seit fünf Jahren. Was tun? Die EU sollte endlich zeigen, dass sie auf der Seite der Wahrheit steht.

Kommentar von Bastian Obermayer

Eine Woche nun ist der russische Fußballsommer vorbei. Mannschaften, Journalisten, Fifa-Funktionäre und Fußballfans sind abgereist. Edward Snowden ist dageblieben; musste dableiben. Er sitzt seit mehr als fünf Jahren in Moskau fest, im Asyl eines Staates, dessen Regime Journalisten und politische Widersacher ins Gefängnis werfen oder ermorden lässt. Das ist nicht nur für Snowden schwer auszuhalten. Es ist vor allem beschämend für den Westen, für Europa, für Deutschland. "Was sagt es über die Welt, wenn der einzige sichere Platz für einen US-Whistleblower Russland ist?", fragte Snowden beim SZ-Interview vor einigen Wochen.

Im SZ-Interview stellte Edward Snowden auch die Frage, was eigentlich passieren würde, wenn ein russischer Whistleblower, etwa aus dem russischen Geheimdienst, Asyl beantragen würde. Oder ein Whistleblower, dem Nordkorea nach dem Leben trachtet? Oder China? Deutschland und die meisten europäischen Staaten würden solchen Whistleblower ziemlich sicher Unterschlupf gewähren - und das völlig zu Recht. Edward Snowden droht die Todesstrafe in den USA, Präsident Trump sowie zwei führende Mitglieder seiner Regierung haben öffentlich erklärt, Snowden tot sehen zu wollen. Ist der Tod in einer US-amerikanischen Zelle weniger schlimm? Die Logik der Regierung Merkel war und ist allem Anschein nach diese: Sie will sich nicht mit den USA anlegen, indem Deutschland eine "Lex Snowden" schafft und einen erklärten Staatsfeind eines Verbündeten bei sich aufnimmt.

Aber was, wenn es kein Lex Snowden bräuchte? Man stelle sich kurz vor, die Europäische Union hätte schon vor zehn Jahren ein Whistleblower-Gesetz erlassen, das sich in einem einzigen Satz zusammenfassen lässt: Wer durch das Aufdecken eines Missstandes nachweisbar der Öffentlichkeit einen Dienst erweist und dadurch sein Leben oder Wohlergehen aufs Spiel setzt, erlangt das Recht auf Asyl in der EU. Man stelle sich weiter vor, über dieses Gesetz wachte ein Gericht und man hätte zuvor Begriffe wie "Dienst an der Öffentlichkeit" oder "Missstand" definiert. Dann hätte das EU-Gericht auf Antrag Snowdens nur noch prüfen müssen, ob ihm unter diesem bereits etablierten EU-Recht Asyl zugestanden hätte.

Hätte Europa - falls Snowden Asyl gewährt worden wäre - nicht dennoch die Wut der US-Regierung auf sich gezogen? Ganz sicher. Aber Europa hätte in seiner Reaktion souverän darauf verweisen können, dass man hier für Werte einsteht, auf die sich seine Bürger geeinigt haben. Ein solches Gesetz ist notwendig, um zu demonstrieren, dass die EU den Kampf um die Verteidigung zentraler Grundrechte tatsächlich austrägt, für die Freiheit, Gleichheit, Würde des Menschen. Und: Wann wäre denn je ein besserer Zeitpunkt gewesen, den USA entgegenzutreten - in der Gewissheit, für die richtigen Werte einzustehen? Zumal in den USA ein Mann an der Macht ist, dem all das nur Gewäsch zu sein scheint?

Die EU braucht kein Lex Snowden, aber sehr dringend ein Whistleblower-Gesetz, das ein Asyl einschließt. Damit würde die EU zeigen, dass sie auf der Seite der Wahrheit steht. Die kommt oft nur ans Licht, wenn es eine Mutige oder einen Mutigen gibt, der sie ins Licht befördert. Die EU könnte, sollte stolz darauf sein, solchen Menschen Zuflucht zu gewähren. Denn von dieser Wahrheit lebt jede Demokratie. Ohne die Wahrheit stirbt sie.

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