Skandale in Frankreich:In der Hydra-Republik

Vetternwirtschaft statt Brüderlichkeit: In Frankreich reiht sich Skandal an Skandal. Doch Volk und Medien akzeptieren den Filz nicht mehr.

Stefan Ulrich

In den griechischen Sümpfen lebte einst ein Monster namens Hydra. Schlug man einen ihrer Köpfe ab, wuchsen zwei neue nach. Heute lebt im Pariser Korruptionssumpf ein ähnliches Wesen. Es heißt Bettencourt-Affäre und nährt sich von Macht, Geld und Interessenkonflikten. Dieses Ungeheuer teilt sich noch rascher als die Hydra. Es bekommt auch ohne Enthauptungen neue Köpfe. Erst ging es im Fall Bettencourt um die Schwäche einer Milliardärin für einen Dandy. Dann kam ein Korruptionsskandal um die Präsidentenpartei UMP und Arbeitsminister Éric Woerth hinzu. Jetzt könnte der Fall zu einem "Sarkogate" auswuchern, wie die Opposition feixend feststellt.

Tageszeitung ´Le Monde"

Medien wie Le Monde recherchieren akribisch und beweisen, dass die Pressefreiheit in Frankreich funktioniert.

(Foto: Ian Langsdon/dpa)

Unstrittig ist, dass der Geheimdienst ausschnüffelte, von welchem Informanten die Zeitung Le Monde über einige Vernehmungen in der Affäre Bettencourt unterrichtet wurde. Le Monde behauptet, der Auftrag an die Spione sei aus dem Élysée-Palast gekommen. Der Präsident missbrauche den Dienst, um seine politischen Interessen zu schützen, und verletze den Schutz der journalistischen Informationsquellen. Das Präsidialamt bestreitet, sich eingemischt zu haben. Doch Le Monde erstattete Strafanzeige. Die Bettencourt-Affäre hat ein neues Haupt, die Hydra wächst weiter.

Parallel dazu beschäftigt sich die Justiz mit weiteren Staatsaffären. In der einen soll sich erstmals in der neueren Geschichte ein Ex-Präsident, Jacques Chirac, verantworten - wegen Unterschlagung und Vertrauensbruchs. In der anderen, dem Clearstream-Fall, geht es um eine düstere Kabale zwischen Sarkozy und Ex-Premier Dominique Villepin vor dem Hintergrund dubioser Fregattenverkäufe. Die Reihe ließe sich in die jüngere Vergangenheit beliebig fortsetzen: der Elf-Skandal, Angolagate, Giscard d'Estaings Diamanten.

Vetternwirtschaft statt Brüderlichkeit - ist dies das Fundament der Republik? Tatsächlich wirkt Frankreich anfällig für Kungeleien. Das Land, in dem Montesquieu die Gewaltenteilung predigte, wird von einer Kaste dominiert. Ihre Angehörigen kennen sich von den Elitehochschulen und wuchsen oft in denselben Prominentenvierteln auf - etwa in Neuilly, woher Sarkozy stammt. Später rücken die Jugendfreunde ins Parlament, in die Regierung, auf hohe Beamtenposten und in Konzernvorstände auf. Sie pflegen ihre alten Verbindungen, zum gegenseitigen Nutzen. Der Zentralismus, der alle Mächte in Paris bündelt, erleichtert den Austausch - und die Korruption.

Doch es gibt Gegenkräfte: Bürger, die Mauscheleien heute weit weniger hinnehmen als früher. Medien wie Le Monde, die akribisch recherchieren und beweisen, dass die Pressefreiheit funktioniert. Und dann die Untersuchungsrichter, die im Gegensatz zu den Staatsanwälten unabhängig von der Regierung sind und Affäre um Affäre angehen. In der Antike besiegte Herkules solche Ungeheuer wie die Hydra. In der Gegenwart fällt die Rolle oft den Untersuchungsrichtern zu. Sarkozy möchte sie abschaffen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: