Silvio Berlusconi:Alles hängt an seinem Wort

Silvio Berlusconi

Da lacht er noch: Silvio Berlusconi gibt sich siegessicher in der Schlacht um sein persönliches Überleben.

(Foto: dpa)

Es geht um sein politisches Überleben: An diesem Wochenende könnte die Partei von Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi auseinanderfallen. Auch für die Regierungskoalition ist das Treffen in Rom entscheidend. Berlusconi fordert Loyalität - aber alles ist offen.

Von Andrea Bachstein, Rom

Einen der so furchteinflößenden wie eleganten Bauten der Faschismus-Architektur des römischen EUR-Viertels haben sie ausgesucht, um zu entscheiden, was von der politischen Macht Silvio Berlusconis bleibt. An diesem Samstag sollen in Rom 868 Delegierte aus ganz Italien über einen seit Wochen ausgetragenen Krieg bestimmen. Es geht um die Zukunft der Partei des ehemaligen Premiers und damit möglicherweise auch um das Schicksal der italienischen Regierung.

Alles ist offen: Bleibt es bei einer nur Berlusconi treuen Partei, die dann künftig wieder Forza Italia (FI) heißt, oder spaltet sich ein Teil ab, der sich weiter Volk der Freiheit (PDL) nennt? Letztere Option könnte den Bruch mit dem Parteigründer wagen, um loyal zur Koalition mit den Sozialdemokraten zu stehen. Dass der Ausgang des Konflikts unberechenbar ist, drückt sich auch in Zahlen aus: Die "Falken", die auf Gedeih und Verderb Berlusconi gehorchen wollen, behaupten, 670 Delegierte hinter sich zu haben; die regierungstreuen "Tauben" reden von 368 Gefolgsleuten. In der Summe sind das 170 Delegierte mehr als es tatsächlich gibt.

Diese Zahl steht für das Ausmaß der Ratlosigkeit in der Berlusconi-Partei. "Wer nicht daran glaubt, dem steht es frei zu gehen", ist am Freitag die vorläufig letzte, kompromisslos klingende Ansage des 77-Jährigen zur Wiedergründung der FI. Für ihn ist es nicht nur eine Schlacht, in der es darum geht, ob er die Kontrolle über die Partei behält, die seit fast 20 Jahren sein Geschöpf ist. Er empfindet sie wie eine Schlacht um sein persönliches Überleben. Berlusconi hat die Frage, ob und zu welchen Bedingungen die Mehrheit der Mandatsträger im Parlament den Wechsel zur FI mitmacht, zugleich zum Punkt gemacht, an dem sich die weitere Unterstützung der Regierung entscheiden soll.

Am 27. November soll das Plenum des Senats darüber entscheiden, ob Silvio Berlusconi seinen Sitz verliert, weil er in letzter Instanz als Steuerbetrüger verurteilt worden ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Berlusconi die Parlamentskammer verlassen muss. Für diesen Fall verlangt er von seinen Leuten Nibelungentreue: Sie dürften dann nicht weiter in einer Koalition mit der sozialdemokratischen PD bleiben, deren Senatoren ihn ins Aus schicken, fordert der Ex-Premier. Die Falken in der bisherigen PDL kündigen seit Wochen an, sie würden der Regierung ihre Unterstützung entziehen. Die Gemäßigten in der PDL hingegen wollen die Regierung auf jeden Fall weitertragen.

Angeführt werden diese Tauben vom Innenminister Angelino Alfano, den Berlusconi selbst vor zwei Jahren zu seinem politischen Erben ausgerufen hatte. Der 43 Jahre alte Alfano beteuert ein ums andere Mal, er wolle die Partei nicht spalten. Aber das war der einzige Punkt, in dem sich Berlusconi und sein in Ungnade gefallener Kronprinz sich einig waren beim gemeinsamen Krisengespräch am Donnerstagabend. Am Freitagmittag tagten sie mit Vermittlern noch einmal im Palazzo Grazioli. Als verzweifelte, aber eigentlich aussichtslose Versuche, das Zerbrechen der Mitte-rechts-Partei zu verhindern, schildern Insider diese Begegnung. Mit einem Berlusconi, der im Grunde selbst nicht mehr wisse, wem er trauen solle, welche Seite die Richtige ist. Und alles wird am Ende nur von seinem Wort abhängen.

Alfano und seine Gefolgsleute wollen nicht nur die Regierung um jeden Preis erhalten, sie verlangen auch Änderungen im Entwurf des Parteistatuts für die neue Forza Italia. Es geht um Dinge, die für andere europäische Volksparteien seit Jahrzehnten selbstverständlich sind: demokratische Strukturen im Inneren, Kandidatenwahlen, Transparenz, das Ende der unumschränkten Macht des Parteichefs. Weil Berlusconi die bisher hat, zog er den Delegiertenkongress kurzerhand auf diesen Samstag vor.

In der Partei schmiedet bislang vor allem eine Gruppe von 30 Senatoren Zukunftspläne ohne Berlusconi. Als ihr entschlossenster Vertreter tritt Roberto Formigoni auf, zuvor langjähriger Regionspräsident der Lombardei. Er sagte am Freitag, er wisse noch nicht, ob er und seine Gleichgesinnten zum Parteikongress erscheinen werden. Das hänge davon ab, wie sich die Verhandlungspositionen bis dahin entwickelten. Sie wollen eine öffentliche Hinrichtung beim Parteikongress verhindern. Silvio Berlusconi hat eigentlich auch keine Lust, dort hinzugehen. "Wenn ich meinen Pass hätte, würde ich nach Antigua fahren", hat er gesagt. Er hat aber keinen mehr - den hat die Justiz nach seiner Verurteilung eingezogen.

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