Nach den Terroranschlägen:Israel beschießt Gaza aus der Luft

Drei Terroranschläge haben Israel erschüttert und mehrere Menschen das Leben gekostet. Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten: Verteidigungsminister Barak macht palästinensische Terrorzellen für die Angriffe verantwortlich - und lässt Gaza beschießen.

Peter Münch, Tel Aviv

Bei einer Serie von Terroranschlägen sind sieben Israelis getötet und mehr als 30 verletzt worden. Angreifer nahmen Fahrzeuge entlang der ägyptischen Grenze im Süden des Landes unter Beschuss. Bei einer Fahndung wurden mehrere Täter erschossen. Verteidigungsminister Ehud Barak machte palästinensische Terrorzellen verantwortlich und gab Ägypten eine Mitschuld. Am Donnerstagabend flog Israels Luftwaffe Angriffe auf den Gaza-Streifen, die Palästinenser meldeten mindestens fünf Tote.

Several Killed In Attacks Near Egyptian Border

Dieser Bus wurde in der Nähe der ägyptischen Grenze beschossen.

(Foto: Getty Images)

Die Machart der Anschläge deutet auf eine koordiniert operierende Terrorzelle hin. Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einem "extrem ernsten" Vorfall, der Israels Souveränität verletze. Der erste Angriff ereignete sich in den Mittagsstunden, als ein öffentlicher Überlandbus ungefähr 20 Kilometer nördlich der Urlaubsstadt Eilat aus einem vorbeifahrenden Auto heraus mit Schnellfeuerwaffen unter Beschuss genommen wurde. Im Bus saßen Soldaten auf dem Weg ins freie Wochenende, mehrere von ihnen sollen unter den Verletzten sein.

Kurz darauf explodierten in derselben Gegend Sprengsätze, als ein israelisches Armeefahrzeug entlang der Grenze zu Ägypten patrouillierte. Später wurden noch zwei Privatautos und ein weiterer Bus beschossen, offenbar auch mit panzerbrechenden Waffen. Mehrere der Täter wurden gestellt und bei Feuergefechten getötet, erklärte die Armee. Dabei soll einer der Terroristen auch einen Sprengstoffgürtel gezündet haben.

Die Anschläge treffen Israel in einer Zeit, in der soziale Massenproteste den Fokus der Öffentlichkeit abgelenkt hatten von den Sicherheitsproblemen. Dennoch hatten die Geheimdienste und das Militär immer wieder vor der Gefahr von Terrorattacken vor allem im Süden gewarnt. Dort sei die Lage instabil, weil die zu Ägypten gehörende Sinai-Halbinsel seit der Kairoer Revolution weitgehend in Anarchie verfallen sei, hieß es. Dies habe auch zu einem Anstieg des Waffenschmuggels in den palästinensischen Gaza-Streifen geführt. Nun erklärte Verteidigungsminister Barak, die Angriffe "zeigen, dass Ägypten bei der Kontrolle des Sinai versagt hat und dass sich dort terroristische Elemente ausbreiten". Die Drahtzieher aber machte er in Gaza aus.

Nur wenige Stunden nach den Anschlägen bombardierte die israelische Luftwaffe im Gaza-Streifen Ziele in Rafah an der Grenze zu Ägypten. Von dort aus sollen die Terroristen nach israelischen Berichten durch die Schmuggeltunnel auf den Sinai und weiter nach Israel gekommen sein. Unter den Toten dieser Luftschläge soll auch ein ranghoher Milizenführer sein.

Ägypten wehrt sich gegen die Vorwürfe

Ägypten widersprach der israelischen Darstellung, dass die Attacken von seinem Staatsgebiet ausgegangen seien. Allerdings hatte auch die Führung in Kairo jüngst zugeben müssen, dass die Kontrolle der Sinai-Halbinsel verloren zu gehen drohe. Dort sollen Al-Qaida-Zellen und beduinische Terrorgruppen operieren, bereits fünf Mal ist in den vergangenen sechs Monaten auch die vom Sinai nach Israel führende Gasleitung mit Sprengsätzen attackiert worden.

Zu Beginn dieser Woche hatte das ägyptische Militär die großangelegte "Operation Adler" gestartet, bei der es die Kontrolle des Wüstengebiets mit 1000 Soldaten zurückgewinnen will. Israel hatte dieser Militäraktion zustimmen müssen, weil die Sinai-Halbinsel im 1979 geschlossenen Friedensabkommen mit Ägypten zur demilitarisierten Zone erklärt worden war.

Israels Öffentlichkeit reagierte schockiert auf den Terrorangriff. Es war der zweite Anschlag in diesem Jahr, nachdem im März eine Bombe an einer Jerusalemer Bushaltestelle explodiert war und eine britische Touristin getötet hatte. Auf dem Tel Aviver Rothschild Boulevard, der mit seinem Zeltlager das Zentrum der Sozialproteste ist, diskutierten die jungen Leute intensiv über die Vorfälle.

Befürchtet wird, dass dies die äußere Bedrohung des Landes wieder in den Mittelpunkt der Debatten rücken könnte. Manche wollten hinter den Anschlägen gar eine Verschwörung sehen, die ihre Protestbewegung marginalisieren soll. "Wenn es am Ende Krieg gibt, müssen alle zum Reservedienst, und die Zelte sind leer", sagte eine junge Frau. Andere widersprachen und meinten, der Protest habe so viel Eigendynamik, dass er durch nichts zu stoppen sei. Klar ist, dass am Donnerstag der Terror wieder zum Thema geworden ist in Israel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: