Sicherheitspolitik:USA verlegen Panzer nach Osteuropa

POLAND-US-RUSSIA-DEFENCE-MISSILES

Auf Posten in Polen: Amerikanische Soldaten im Jahr 2010 vor einem Flugabwehrsystem in Morag.

(Foto: Wojtek Radwanski/AFP)

Washington entspricht dem Wunsch mehrerer Nato-Länder, die sich von Russland bedroht fühlen. Moskau will asymmetrisch antworten.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Es soll, wie Philip Breedlove, Kommandeur des Europäischen Kommandos der US-Streitkräfte sagt, ein "großer Schritt" werden. Von Februar 2017 an verlegen die USA eine Panzerbrigade in den Osten Europas. Die 4200 Soldaten sollen rotierend für jeweils neun Monate eingesetzt werden und - etwa in den baltischen Staaten - an Übungen teilnehmen. Die Amerikaner konkretisieren damit ihre 3,4 Milliarden Euro teure European Reassurance Initiative (ERI), die sie bereits im Februar verkündet hatten. Sie sieht zur "Rückversicherung" der Verbündeten vor, in großer Zahl schweres Gerät nach Europa zu verlegen, aber auch die Truppenpräsenz zu erhöhen. Damit kommen die USA einer Forderung insbesondere der osteuropäischen Nato-Staaten entgegen, die sich von Russland bedroht fühlen.

Massiv verstärkt worden war dieses Gefühl durch das gewaltsame Vorgehen Russlands in der Ukraine und die Annexion der Krim 2014 - und abgenommen hat es seitdem nicht. In einigen östlichen Nato-Staaten herrscht vielmehr die Befürchtung, dass angesichts der Kooperation etwa in Syrien die von Russland ausgehende Gefahr aus dem Blick geraten könnte. So äußerte der litauische Geheimdienst in seinem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht die Sorge, dass die Flüchtlingskrise und der Terrorismus den Westen von der "aggressiven Politik" Russlands gegenüber seinen Nachbarländern ablenken könnten. Das russische Militär brauche nur 24 bis 48 Stunden, um genügend Truppen für den "Start militärischer Aktionen gegen baltische Staaten" zusammenzuziehen. Russland stelle eine anhaltende politische und militärische Bedrohung für Litauen dar.

Nach dem jetzt vorgelegten Plan soll sich die Zahl der in Europa präsenten US-Brigaden auf drei erhöhen. Er demonstriere "unseren starken und ausgewogenen Ansatz, die Nato-Verbündeten angesichts eines aggressiven Russlands in Osteuropa und anderswo rückzuversichern", wurde Breedlove in einer Mitteilung des US-Militärs zitiert. Die zusätzliche Brigade soll rotierend für jeweils neun Monate in Europa eingesetzt werden und moderne Ausrüstung mitbringen. Die im Januar präsentierte Initiative sieht außerdem die Stationierung zusätzlichen schweren Geräts vor, allerdings nicht notwendigerweise im Osten Europas.

Russland reagierte verärgert auf die amerikanische Ankündigung. "Wir sind keine untätigen Beobachter, wir ergreifen regelmäßig militärische Maßnahmen, die wir für notwendig erachten, um diese verstärkte Präsenz auszugleichen, die durch nichts gerechtfertigt ist", sagte der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko. Russland plane eine "völlig asymmetrische Antwort". Details nannte er nicht.

Deutschland möchte vermeiden, dass die Nato-Russland-Akte aufgeweicht wird

Mit der Entscheidung der USA ist ein in der Nato schwelender Konflikt um eine stärkere Präsenz im Osten des Bündnisgebietes noch nicht ausgestanden. Polen, das im Juli in Warschau den Nato-Gipfel ausrichtet, verlangt eine deutliche Aufstockung. Das Argument, dass dem die Nato-Russland-Grundakte von 1997 entgegen steht, lässt die national-konservative Regierung in Warschau nicht gelten. Die Nato hatte darin zugesagt, keine "zusätzlichen substantiellen Kampftruppen" in den neuen Mitgliedstaaten stationieren zu wollen.

In diesem Punkt sei die Grundakte "ungültig", hatte der polnische Außenminister Witold Waszczykowski im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt und dabei auf die völlig veränderte Lage hingewiesen. Tatsächlich hatte die Nato ihre Zusage 1997 ausdrücklich unter Verweis auf das "gegenwärtige und vorhersehbare Sicherheitsumfeld" gegeben. Eine Reihe von Nato-Staaten, darunter Deutschland, will nun aber eine Relativierung der Grundakte vermeiden. Wird nicht rechtzeitig ein Kompromiss gefunden, könnte der Streit den Nato-Gipfel überschatten.

Immer noch laufen überdies Bemühungen, den nie formell suspendierten Nato-Russland-Rat wiederzubeleben. Mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in München erfolglos über ein Treffen des Rates verhandelt. Nicht einig wurde man sich über die Tagesordnung eines solchen Treffens.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: