Migration:Vier Boote, Tausende Spender

Seenotrettung im Mittelmeer - ´Alan Kurdi"

Vier Seenotrettungs-Organisationen sind wieder im Mittelmeer aktiv, unter anderem die Regensburger Organisation Sea-Eye, die mit dem Schiff Alan Kurdi (im Bild) Einsätze fährt.

(Foto: dpa)

Die privaten Seenotretter sind zurück im Mittelmeer. Sie sind zwar weniger zahlreich als früher, aber die Kapitäne der Rettungsorganisationen wissen ein "Heer der Solidarität" hinter sich - das zeigt auch der Fall Carola Rackete.

Von Oliver Meiler, Rom

Sie haben alle Blockaden und alles Schlechtreden überlebt. Die privaten Seenotretter sind zurück im zentralen Mittelmeer, obschon der rechte italienische Innenminister Matteo Salvini ihnen die Häfen verwehren will. Die Schiffe der NGOs sind nicht mehr so zahlreich wie in den Jahren 2015 bis 2017, als zeitweise 15 Boote nach Flüchtlingen in Not suchten. Im Moment sind es nur noch vier. Im vergangenen Winter gab es aber Zeiten, da war gar keines mehr im Einsatz.

Die NGOs befürchteten, Salvinis Propaganda würde die Großzügigkeit der Spender beeinträchtigen. Minus 10 bis 15 Prozent, so budgetierte man schon. Doch diese Sorge erwies sich als unbegründet. "Das Heer der Solidarität", wie die italienische Tageszeitung La Repubblica die Helfer nennt, erhält genügend Spenden, um ihre Operationen zu finanzieren.

Die deutsche Organisation Sea-Watch etwa, die mit ihrem Schiff Sea-Watch 3 und Kapitänin Carola Rackete wochenlang in den Nachrichten war, sammelte in wenigen Tagen knapp zwei Millionen Euro - für die Deckung von Gerichtskosten und Geldstrafen. Zum Spenden aufgerufen hatten unter anderem die beiden deutschen TV-Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Jan Böhmermann. In Italien sammelte eine antifaschistische Vereinigung in wenigen Tagen 420 000 Euro. Die Sea-Watch 3 liegt beschlagnahmt im Hafen von Licata. Die Organisation sucht jetzt nach einem neuen Schiff.

Rackete war eigentlich an diesem Dienstag für eine zweite Anhörung im zuständigen Tribunal von Agrigent erwartet worden, wegen des Vorwurfs der Begünstigung der illegalen Einwanderung. Aufgrund eines Streiks der italienischen Anwälte wurde die Anhörung aber verschoben und findet nun voraussichtlich am 18. Juli statt.

Im Einsatz ist aber noch eine weitere deutsche NGO: Die Regensburger Sea-Eye, gegründet 2015, hat am Wochenende 65 Migranten nach Malta gebracht. Sie kreuzte mit einem umgebauten Forschungsboot vor Libyen, das sie Alan Kurdi taufte. So hieß ein zweijähriges syrisches Kind, das vor vier Jahren an einen türkischen Strand geschwemmt worden war. Auch die Sea-Eye wird von privaten Spendern getragen.

Über das größte Budget, etwa 3,5 Millionen Euro, verfügt wohl die spanische Organisation Proactiva Open Arms. Sie wurde vom katalanischen Rettungsunternehmer Òscar Camps gegründet. Früher half Camps an der Costa Brava Badegästen in Not. Ab 2015 war er zunächst vor Lesbos im Einsatz, dann vor Libyen, später an der Meerenge von Gibraltar und nun seit Kurzem wieder auf der zentralen Mittelmeerroute. Er kann auf prominente Gönner zählen, etwa auf den Fußballtrainer Pep Guardiola und den amerikanischen Schauspieler Richard Gere, die ihrerseits für Open Arms werben.

Die derzeit einzige italienische NGO im Mittelmeer heißt Mediterranea Saving Humans. Es gibt sie erst seit einem Jahr, als Gemeinschaftswerk mehrerer Vereine aus der Zivilgesellschaft. Finanziert wird sie von Tausenden privaten Spendern. Mediterranea kaufte damit die Mare Jonio, einen 38 Meter langen Schlepper, der dann aber vom Staat festgesetzt wurde. Die jüngste Operation fuhr die NGO mit einem Segelschiff, der Alex. Der Mailänder Sportskipper Tommaso Stella steuerte am Wochenende mit 41 Migranten trotz Verbots in den Hafen von Lampedusa. Die Alex wurde beschlagnahmt.

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