Getötetes Kind in Frankfurt:Tatverdächtiger wurde von Schweizer Polizei gesucht

  • Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz des Innenministers, des Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums und des Präsidenten des Bundeskriminalamts wurden der Öffentlichkeit die neuesten Erkenntnisse zu dem Tatverdächtigen vom Frankfurter Bahnhof mitgeteilt.
  • Der 40-jährige Familienvater wird bereits seit Tagen wegen einer anderen Straftat von der Schweizer Polizei gesucht. Die Behörde in der Schweiz teilte außerdem mit, dass sich der Mann in psychiatrischer Behandlung befunden habe.
  • Der Tatverdächtige galt vor dem Vorfall in der Schweiz als gut integriert und hatte eine feste Arbeitsstelle.
  • Außerdem wurde bei der Pressekonferenz eine Reihe von Sicherheitsverschärfungen genannt, die sich Horst Seehofer vorstellen könne.

Der mutmaßliche Täter vom Frankfurter Hauptbahnhof wurde seit vergangenem Donnerstag von der Schweizer Polizei gesucht. Das sagte der Bundespolizeipräsident Dieter Romann in Berlin bei einer Pressekonferenz, nachdem sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit den Leitern der für den Fall zuständigen Behörden getroffen hatte. Seehofer sprach den Angehörigen des am Frankfurter Hauptbahnhof vor einen Zug gestoßenen Jungen zunächst das Beileid aus: "Ein solches Ereignis macht uns alle fassungslos." Das Eingreifen der Passanten, die den mutmaßlichen Täter nach der Tat verfolgt, aufgehalten und schließlich festgesetzt hatten, nannte er "ein sehr positives Beispiel von praktizierter Zivilcourage".

Es gehe aber nicht nur um den Vorfall am Montag in Frankfurt, sagte Seehofer und verwies auf einen ähnlichen Fall eine Woche zuvor in Voerde in Nordrhein-Westfalen und Vorfällen wie jüngst in Starnberg bei München, wo rund 50 Jugendliche eine Polizeidienststelle zu stürmen versucht hatten. Fälle wie diese forderten die Behörden heraus, sich die Frage zu stellen, wie dem zu begegnen sei. Obwohl die allgemeine Kriminalität zurückgegangen sei im Land, "ist das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung sehr angespannt". Die Frage sei: "Was ist der Grund für eine solche Entwicklung?", sagte Seehofer. Daneben müsse sich die Politik fragen, "wie wir mit diesem Phänomen umgehen müssen".

Mutmaßlicher Täter bedrohte zuvor in der Schweiz eine Frau mit dem Messer und war in psychiatrischer Behandlung

Ein Mann hatte am Montag einen Achtjährigen und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Während sich die Mutter vor dem herannahenden Zug auf einen Fußweg zwischen zwei Gleise retten konnte, verstarb das Kind. Eine weitere Frau, die der Täter versuchte auf die Gleise zu stoßen, fiel noch auf den Bahnsteig. Der Täter versuchte zu fliehen, wurde aber festgenommen. Der 40-jährige Eritreer, der verheiratet ist und selbst drei Kinder hat, sei ein in der Schweiz anerkannter Flüchtling. Er galt lange als gut integriert und hatte eine feste Arbeitsstelle. Allerdings sei er in jüngerer Zeit polizeilich aufgefallen.

Der Mann habe seine Nachbarin mit einem Messer bedroht, eingesperrt und sei dann geflohen. Daraufhin sei er in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben gewesen, sagte Bundespolizeipräsident Dieter Romann am Dienstag in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und BKA-Präsident Holger Münch. "Er war auch im Vorfeld mit entsprechenden Delikten bereits in der Schweiz auffällig". Außerdem war der mutmaßliche Täter in diesem Jahr in psychiatrischer Behandlung. Es seien bei einer Hausdurchsuchung Dokumente gefunden worden, die darauf schließen lassen, teilte die Kantonspolizei Zürich am Dienstag mit.

Seehofer kommentierte die Einreise des Mannes aus der Schweiz wie folgt: "Der mutmaßliche Täter ist legal in die Bundesrepublik eingereist. Aufenthaltsrechtlich sehe ich deshalb keinen Änderungsbedarf." Allerdings sprach er auch von einer gesellschaftlichen Werteerosion in Deutschland, die sich in den vergangenen Wochen zeige.

Sicherheit an Bahnhöfen soll verbessert werden

In einem Spitzengespräch mit Bundesverkehrsministerium und Deutscher Bahn will Seehofer diskutieren, wie die Sicherheit an Bahnhöfen verbessert werden kann. Es gebe keine totale und absolute Sicherheit, sagt Seehofer, aber die Regierung habe nun die moralische Verantwortung, das Menschenmögliche zu tun, damit die Menschen sich wieder sicherer fühlten. Laut Seehofer braucht es "dringend mehr Polizeipräsenz" auch an Bahnsteigen, sowie generell mehr Personal für Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz. Er wolle zudem technische Verbesserungen diskutieren, an welchen Bahnhöfen etwa Videoüberwachung sinnvoll sei - "und zwar vorurteilsfrei". Über Kosten wollte Seehofer zunächst nicht sprechen. "Wenn es um Menschenleben geht, gefällt mir das Argument mit dem Geld überhaupt nicht", sagte der Innenminister.

Außerdem kündigte Seehofer an, dass nach seinem Urlaub "Etliches" passieren werde, was Verbote von rechtsextremistischen Gruppierungen angehe. Gleichzeitig müsse er an seiner Zuwanderungspolitik aus den vergangenen drei Jahren "keinen einzigen Satz ändern". Sowohl Straftaten von Ausländern als auch von Rechtsextremen müssten mit aller Härte verfolgt werden. BKA-Präsident Holger Münch kündigte mit Blick auf den Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke und den mutmaßlich versuchten Mord an einem Eritreer in Hessen an, künftig Rechtsextreme stärker zu überwachen. Wie bei Islamisten auch solle bei Rechtsextremen ein personenbezogener Ansatz durchgeführt werden, außerdem will das BKA enger mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten.

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