Russischer Importstopp für EU-Lebensmittel:Bananen aus Weißrussland

RUSSIA-FRANCE-CARREFOUR

Weißrussland will 2014 bisher Bananen, Ananas und Tintenfische im Wert von mehr als 3,5 Millionen Dollar nach Russland exportiert haben.

(Foto: Alexander Nemenov/AFP)

Putin verhängt einen Importstopp für Produkte aus der EU - und keine 24 Stunden später stehen manche Länder Schlange, um russische Supermarktregale zu füllen. Die Beamten in Brüssel sind sauer.

Von Javier Cáceres und Julian Hans, Brüssel/Moskau

Der Besuch war lange geplant, aber noch vor einer Woche hätte niemand erwartet, dass Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bei seinem ersten Besuch in Russland mit Wladimir Putin vor allem über das Essen reden würde. Doch seit die russische Regierung am Donnerstag einen Importstopp für Fleisch, Fisch, Geflügel, Obst, Gemüse und Milchprodukte aus der EU, den USA und weiteren Staaten erlassen hat, begleitet das Thema die russische Politik bei jedem Schritt.

Ägypten werde seine Agrarlieferungen an Russland um 30 Prozent steigern, hieß es nach dem Treffen, und so die entstandene Lücke zumindest zum Teil füllen.

In Brüssel ballt man angesichts solcher Meldungen die Faust in der Tasche. Schon in den vergangenen Tagen hatten sich russische und außereuropäische Medien mit Meldungen überschlagen, dass Agrar- und Lebensmittelexporteure aus Lateinamerika, aber auch aus China Schlange stehen würden, um Lücken in russischen Supermarktregalen zu füllen. Besonders sauer stieß in der Kommission aber eins auf: dass die Botschafter Chiles, Ecuadors und Uruguays nicht einmal 24 Stunden warteten, ehe sie sich mit den russischen Lebensmittelbehörden zusammensetzten, um Marktchancen auszuloten.

Geschäft ist Geschäft

In Brasilien wähnen sich Regierungsvertreter am Vorabend einer Marktrevolution, in Paraguay und Argentinien hofft man ebenfalls auf Exportzuwächse. "Man ist geneigt, von Kriegsgewinnlerei zu sprechen", grantelt ein Brüsseler Beamter.

Doch der Kommission sind die Hände gebunden. Eine legale Handhabe gegen die Lieferung von Waren nach Russland gibt es nicht. Man müsse darüber hinaus aber ehrlich sein gegenüber sich selbst: "Business is business" - und das bedeute, dass europäische Unternehmen sicher auch zugeschlagen hätten, wenn brasilianische Produkte vom Markt genommen worden wären. So etwas passiere sogar unter Freunden, "schauen Sie nur mal, was Deutschland in Iran an Geschäften betreibt, obwohl Deutschland mit Israel befreundet ist", so der Beamte.

Gleichwohl werde die EU versuchen, die Länder für ihre Position zu sensibilisieren. Die Sanktionen seien Folge einer völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Destabilisierung einer Region. Vor diesem Hintergrund "wäre es milde gesagt, nicht freundlich", wenn die Lateinamerikaner den Lockrufen Russlands erliegen sollten, heißt es in Brüssel.

Brüssel hat ein langes Gedächtnis

Ein erstes Echo hat Ecuadors Staatschef Rafael Correa bereits vorgetragen: "Wir werden nicht um Erlaubnis fragen, ob wir einem befreundeten Land Lebensmittel liefern können", sagte er. Und: "Soweit ich weiß, ist Lateinamerika nicht Teil der Europäischen Union. Jedenfalls noch nicht", fügte er spöttelnd hinzu.

Bleibt neben dem politischen Appell erstens der Versuch, die Russen als Geschäftspartner madig zu machen. "Wir werden unsere Partner schon daran erinnern, dass sie sich mit einem sehr wankelmütigen Land auf Geschäfte einlassen", heißt es in Brüssel - was insofern kurios ist, als die EU gerade diesen Markt gern zurückerobern will. Und zweitens gibt es den sanften Druck des guten Gedächtnisses, das Brüssel hat.

Wenn es mal wieder um politische oder wirtschaftliche Vorzüge gehen sollte, "werde man sicher mal einen Blick zurück in die Tage der Ukraine-Krise werfen". Die EU spricht gerade mit Quito über die Ausweitung des Freihandelsabkommens, das sie mit Peru und Kolumbien geschlossen hat, und auch die Gespräche mit dem Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela) sollen wiederbelebt werden.

Russlands Dilemma

In Russland reagieren auch nicht alle begeistert auf die Zusage der Ägypter, kurzfristig bis zu 50 Prozent des ungedeckten Bedarfs an Orangen, Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch zu befriedigen. All das wächst auch hervorragend auf russischem Boden.

Hatte nicht Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew gerade erst die Devise ausgegeben, das Land solle lernen, "sich selbst zu ernähren" und den Importstopp als "Chance" für heimische Erzeuger bezeichnet? Doch inzwischen wird deutlich, in welchem Dilemma das Land steckt: Entweder die Händler kaufen ihre Ware künftig bei anderen Erzeugern, oder die Regale bleiben so lange leer, bis die eigene Produktion aufgeholt hat. In jedem Fall treibt es die Preise.

Die Zeitung Wedomosti belegte mit einem Blick in die Daten der Statistikbehörde von Weißrussland, wie bereits jetzt bei Importen geschummelt wird. Laut Belstat hat das Land zwischen Polen und Russland, das weder über Zugang zum Meer noch über ein besonders warmes Klima verfügt, in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014 Zitronen, Bananen, Ananas, Kokosnüsse, Miesmuscheln und Tintenfische im Wert von mehr als 3,5 Millionen Dollar nach Russland exportiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: