Rede zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs:Gauck macht Putin schwere Vorwürfe

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Bundespräsident Joachim Gauck und andere Teilnehmer entzündeten Lichter an Gräbern polnischer Soldaten und legten Kränze am Denkmal für die Verteidiger der Westerplatte nieder. Die polnische Stellung bei Danzig war am 1. September 1939 durch ein deutsches Kriegsschiff beschossen worden. (Foto: dpa)

In Danzig, wo vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg begann, attackiert Joachim Gauck die Politik des Kremls in der Ukraine. Russland habe die Partnerschaft mit dem Westen "de facto aufgekündigt". Der Bundespräsident kündigt an, dass Europa die "Verteidigungsbereitschaft den neuen Werten anpassen" werde.

Von Klaus Brill und Constanze von Bullion, Warschau und Danzig

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich mit scharfer Kritik an der russischen Regierung in die Ukraine-Krise eingeschaltet. Bei einer Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs auf der polnischen Westerplatte warf er Wladimir Putin vor, die Beziehungen zum Westen aufs Spiel zu setzen. Nach 1989 hätten EU und Nato sich bemüht, Russland zu integrieren, sagte Gauck. "Diese Partnerschaft ist von Russland de facto aufgekündigt worden."

Gauck zeigte sich enttäuscht, dass es nicht gelungen sei, Russland in eine europäische Ordnung einzubinden. "Wir glaubten und wollten daran glauben, dass auch Russland, das Land von Tolstoi und Dostojewski, Teil des gemeinsamen Europa werden könnte", sagte der Bundespräsident.

Europa wolle gute Nachbarschaft. "Aber die Grundlage muss eine Änderung der russischen Politik und eine Achtung der Prinzipien des Völkerrechts sein." Es sei ein Schock, dass in der Ukraine nun wieder Krieg um "neue Grenzen und eine neue Ordnung" geführt werde. "Weil wir am Recht festhalten, es stärken und nicht dulden, dass es durch das Recht des Stärkeren ersetzt wird, stellen wir uns jenen entgegen, die internationales Recht brechen, fremdes Territorium annektieren und Länder militärisch unterstützen", so Gauck.

Europa müsse sich dem russischen "Machtstreben" entschlossen entgegenstellen: "Die Geschichte lehrt uns, dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern." Europa stehe zu seinen freiheitlichen Werten. "Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen."

Polens Staatspräsident Bronisław Komorowski rief bei der Gedenkfeier zu "Mut und Entschlossenheit" als Lehre aus der Geschichte des Zweiten Weltkriegs auf. Dies gelte gerade angesichts der neuen Bedrohung im Osten Europas. "Vor unseren Augen wird internationales Recht gebrochen", sagte er über den Konflikt in der Ukraine.

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Am Morgen hatte Regierungschef Donald Tusk den Gedenktag zum Anlass genommen, eine Stärkung der Nato in Osteuropa zu fordern. "Wir Europäer müssen aus dem tragischen polnischen September und den Jahren des Zweiten Weltkriegs eine Lehre ziehen, die kein naiver Optimismus sein darf", sagte der künftige EU-Ratspräsident.

Das Schlagwort "nie wieder Krieg" dürfe kein Manifest der Schwachen sein. Tusk legte um 4.45 Uhr, dem historischen Zeitpunkt der deutschen Angriffe am 1. September 1939, für die polnischen Opfer einen Kranz nieder. Bundeskanzlerin Angela Merkel warf Russland in einer Regierungserklärung vor, im Ukraine-Konflikt gewaltsam die Grenzen verändern zu wollen. Inzwischen sei es klar, dass es sich um einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine handle, sagte Merkel am Montag im Bundestag.

Nach Kämpfen mit einem russischen Panzerbataillon haben ukrainische Soldaten nach Angaben aus Kiew den Flughafen Luhansk in der Ostukraine aufgegeben. Russlands Außenminister Sergej Lawrow dementierte erneut eine Militärintervention in der Ukraine.

© SZ vom 02.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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