Protest nach Nato-Beschuss von Grenzposten:Pakistans Armee spricht von vorsätzlichem Angriff

Lesezeit: 2 min

24 pakistanische Soldaten kamen bei einem Nato-Angriff ums Leben - doch wer hat zuerst geschossen? Die pakistanischen Streitkräfte weisen den Verdacht von sich, das Feuer eröffnet zu haben - und erheben schwere Vorwürfe gegen die Nato. In der Bevölkerung wächst der Hass auf die USA.

Pakistan hat nach dem Nato-Angriff auf einen pakistanischen Grenzposten im Grenzgebiet zu Afghanistan mit 24 Toten schwere Vorwürfe gegen das Militärbündnis erhoben: Armeesprecher Athar Abbas sagte dem Sender Geo TV, man gehe von einem vorsätzlichen Angriff des westlichen Bündnisses aus.

Antiamerikanische Proteste in der Hafenstadt Karatschi: Demonstranten verbrennen eine Puppe mit einem Obama-Bild. (Foto: AFP)

Die Nato-geführte Afghanistan-Schutztruppe Isaf sei über den Standort eines jeden pakistanischen Armeepostens informiert. Es könne sich nicht um ein Missverständnis gehandelt haben. "Zu sagen, das sei keine vorsätzliche Handlung gewesen, heißt, die Tatsachen zu verdrehen", so der Sprecher. Die Operation am Samstagmorgen habe mehr als zwei Stunden gedauert und die Soldaten der Nato hätten das Feuer auch dann nicht eingestellt, als örtliche Kommandeure sie dazu aufgefordert hätten.

Die Darstellung, wonach die Nato zunächst durch pakistanische Grenzposten unter Beschuss geraten sei, wies der Militärsprecher zurück. Das Wall Street Journal hatte zuvor unter Berufung auf drei afghanische und einen westlichen Verantwortlichen berichtet, Soldaten der afghanischen Armee und der Isaf-Truppe seien an der Grenze unter den Beschuss des pakistanischen Militärs geraten. Zudem seien die pakistanischen Behörden rechtzeitig informiert worden, dass die Isaf Luftunterstützung für einen Einsatz gegen die Taliban angefordert habe.

Bei dem Isaf-Luftangriff auf den Stützpunkt waren am Samstag 24 pakistanische Soldaten getötet worden. Es war der blutigste derartige Angriff seit dem Beginn des Isaf-Einsatzes vor zehn Jahren. Pakistans Regierung verurteilte die Attacke und kündigte eine Überprüfung ihrer Zusammenarbeit mit der Nato und den USA an. Die Nato sprach ihr Bedauern aus und sagte eine Untersuchung zu. Es habe sich um einen "tragischen, unbeabsichtigten Zwischenfall" gehandelt, erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.

China: "Zutiefst schockiert"

China zeigte sich zutiefst schockiert über den folgenschweren Angriff. Man lasse Pakistan sein aufrichtiges Beileid übermitteln, teilte das chinesische Außenministerium mit. Zugleich rief die Regierung in Peking dazu auf, die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität Pakistans zu respektieren. Der Vorfall solle genau untersucht werden.

Pakistan hatte am Sonntag angekündigt, dass der Tod der Männer Konsequenzen haben werde. Die Regierung in Islamabad sprach von einer "groben Verletzung" der Souveränität des Landes. Es schloss Grenzübergänge, die für die Versorgung der internationalen Truppen in Afghanistan wichtig sind. Zudem forderte Islamabad Washington zur Räumung des Luftwaffenstützpunktes Shamsi in der Provinz Belutschistan binnen 15 Tagen auf.

In mehreren Städten des Landes kam es zu wütenden, antiamerikanischen Protesten: In der Hafenstadt Karatschi versammelten sich vor dem US-Konsulat etwa 700 Demonstranten. Sie skandierten "Nieder mit Amerika!" und verbrannten eine Puppe mit einem Bild von US-Präsident Barack Obama. In Multan in der Provinz Punjab wurden bei einer Demonstration mit mehr als 300 Teilnehmern US- und Nato-Flaggen verbrannt.

Die Spannungen könnten sich noch weiter steigern, sollte es zu befürchteten Angriffen von Extremisten auf die etwa 300 Lastwagen kommen, die Nachschub für die internationalen Truppen in Afghanistan liefern. Infolge der Grenzsperrung sitzen diese in der nordwestlichen Strammesregion Khyber Pakhtunkhwa sowie in Chaman im Südwesten Pakistans fest.

Die Sperrung der Nachschubrouten gefährdet nicht nur die Versorgung der internationalen Soldaten im Nachbarland, sie könnte auch Islamabad teuer zu stehen kommen. Die pakistanische Regierung ist auf militärische und zivile Hilfe aus den USA in Milliardenhöhe angewiesen. Das Verhältnis zwischen Islamabad und Washington hatte sich seit der tödlichen US-Kommandoaktion gegen Osama bin Laden in der pakistanischen Stadt Abbottabad im Mai bereits deutlich verschlechtert.

© sueddeutsche.de/dapd/dpa/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: