Profil:Günther Oettinger, der gefürchtete Stakkato-Redner

Günther Oettinger

Günther Oettinger, EU-Kommissar, CDU-Politiker und einst baden-württembergischer Ministerpräsident.

(Foto: dpa)

Der Schwabe gilt als Merkels Mann in Brüssel - und gibt gerne den deutschen Ober-Europäer. Seine Provokationen sind längst berüchtigt.

Von Daniel Brössler

Es waren die dramatischen Tage der Griechenland-Krise, als es in einem Telefonat zwischen Angela Merkel und Jean-Claude Juncker gekracht haben soll. Die Kanzlerin beschwerte sich, so ist es überliefert, dass EU-Kommissar Günther Oettinger Sitzungsunterlagen, die auf eine Abschwächung des Stabilitätspaktes hinausliefen, erst in letzter Minute bekommen habe. Dabei soll Merkel die Worte "Mein Kommissar" benutzt haben, worauf Junckers Entgegnung gelautet habe: "Wieso dein Kommissar? Das ist mein Kommissar."

Es ist eine in Deutschland wenig bekannte Tatsache, dass Oettinger weder als Vertreter Merkels noch der Bundesrepublik in der EU-Kommission sitzt. Wie wenig, zeigt sich gerade dieser Tage wieder: "Die Kanzlerin wäre gut beraten, die Zeit von Oettinger in Brüssel zu beenden. Rassismus und Homophobie dürfen keinen Platz haben", twitterte der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger nach Bekanntwerden einer Hamburger Rede, in der Oettinger Chinesen als "Schlitzaugen" bezeichnet und sich über eine "Homo-Pflichtehe" lustig gemacht hatte. Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte Klarstellung, ansonsten müsse sich "die Union fragen, ob das die richtige Botschaft Deutschlands an Europa ist".

Tatsächlich ist Oettinger, CDU-Politiker und einst baden-württembergischer Ministerpräsident, insofern Merkels Mann in Brüssel, als sie ihn 2010 und erneut 2014 für den von einem Deutschen zu besetzenden Kommissarsposten vorgeschlagen hatte. Entgegen landläufiger Meinung hat Oettinger in dem Gremium aber nicht speziell deutsche Interessen zu vertreten. Der EU-Vertrag verbietet es den Kommissaren ausdrücklich, Weisungen einer Regierung, auch der eigenen, entgegenzunehmen.

Den Eindruck, er sei eine Art deutscher Ober-Europäer, fördert Oettinger freilich selbst nach Kräften. Der 63-Jährige hat sich in seinen zahlreichen Wortmeldungen nie auf seine Ressorts, zunächst Energie und dann Digitales, beschränkt. Vielmehr tritt er in Brüssel und oft und gern auch in der schwäbischen Heimat als politisch inkorrekter Mahner wider eine von ihm so empfundene europäische Gestrigkeit auf. Zu seinen Vergnügungen gehört es, Partygästen mit kurzen Ansprachen die Laune zu verderben, in denen er in der ihm eigenen Stakkato-Diktion Untergangsszenarien einer global abgehängten EU entwirft.

Juncker lobte erst vor kurzem seine "Professionalität"

In diese Gattung fiel auch Oettingers Ansprache in Hamburg, in der er sich zum Beispiel über chinesische Minister ("alle Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt") mokierte, aber auch Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer einen "Populisten light" nannte. Kritik an den "etwas saloppen" Äußerungen lässt Oettinger bislang abprallen.

Entlassen könnte ihn nun nicht Merkel, sondern nur Juncker. Allerdings hat der Oettinger gerade erst vom Digital- zum Haushaltskommissar und Vizepräsidenten befördert und dabei seine "große politische Erfahrung" wie auch seine "Professionalität" gepriesen.

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