Polen:Opposition erstarkt

Neue Europäische Koalition liegt knapp hinter der Regierungspartei PiS.

Von Florian Hassel, Warschau

In Polen hat die nationalpopulistische Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) die Europawahl unter Rekordbeteiligung der Wähler gewonnen (43 Prozent statt knapp 24 Prozent bei der letzten Europawahl). Nur knapp dahinter lag die erstarkte Opposition. Die europaskeptisch auftretende PiS (Slogan im Wahlkampf: "Verteidige deine Rechte!") kam nach den auf Wählerbefragungen beruhenden Hochrechnungen des Forschungsinstitutes Ipsos für den unabhängigen Fernsehsender TVN auf 42,4 Prozent (24 Mandate im Europarlament), die aus fünf Oppositionsparteien gebildete Europäische Koalition auf 39,1 Prozent (22 Mandate).

PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, Polens eigentlicher Regierungschef, dankte "allen, die uns unterstützt haben und den guten Wechsel wollen" - dies ist das Codewort sowohl für umfangreiche Sozialprogramme als auch für zahlreiche gegen die Unabhängigkeit der Justiz und anderer Staatsorgane gerichteten Gesetze. "Wir sind die Garanten polnischer Souveränität, polnischer Unabhängigkeit und des polnischen Wegs nach oben", sagte Kaczyński. Für die PiS werden künftig zahlreiche bekannte Parteigrößen, die auch als Europaskeptiker auffielen, im europäischen Parlament sitzen: etwa die frühere Ministerpräsidentin Beata Szydło, Ex-Außenminister Witold Waszczykowski oder der enge Kaczyński-Vertraute Joachim Brudziński.

In Polen galt die Wahl indes vor allem als Generalprobe für die im Herbst 2019 folgende Parlamentswahl und als erster Test der erst vor einigen Monaten gebildeten Europäischen Koalition. "Dies war erst die erste Spielhälfte", sagte Grzegorz Schetyna, Chef der Oppositionspartei Bürgerplattform und Architekt der mit vier anderen Parteien gebildeten Europäischen Koalition. Mit ihrem Ergebnis verfehlte das Oppositionsbündnis sein Ziel, sich schon bei der Europawahl vor die PiS zu setzen.

"Ich hatte mit mehr gerechnet", sagte der zur Opposition zählende langjährige Außenminister Radosław Sikorski, der nun für die EK ins Europarlament einzieht, dem Sender TVN. "Immerhin haben wir eine Koalition gebildet, gegen die die PiS im Herbst verlieren kann. Und das ist schon eine Errungenschaft."

Die gleichfalls erst vor wenigen Monaten gebildete linke Reformpartei "Wiosna" (Frühling) kam auf 6,6 Prozent (drei Mandate) und blieb damit deutlich hinter den Erwartungen. Die unter Beteiligung von Rechtsnationalisten gebildete Konföderation kam auf 6,1 Prozent (drei Mandate). Die Partei des populistischen Ex-Rocksängers Paweł Kukiz, im Herbst 2015 mit knapp 9 Prozent die große Überraschung der Parlamentswahl, stürzte auf 4,1 Prozent unter die für einen Einzug ins Europaparlament notwendigen fünf Prozent. Ein Desaster war die Wahl für Polens Linke, die nur auf 1,3 Prozent kam.

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