Panama Papers:Wie Mossack Fonseca mit Recht und Gesetz umgeht

panama geschäftsfüher

Jürgen Mossack und Ramón Fonseca Mora

(Foto: Peter Hoffmann)

Die Panama Papers legen den Verdacht nahe, dass Mossack Fonseca möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen hat - auch gegen panamaisches.

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Die wichtigste Vorschrift für jede Bank lautet: Kenne deinen Kunden. Das ist die zentrale Anforderung im Kampf gegen Geldwäsche - das ist weltweit Gesetz. Laut Panama Papers hilft Mossack Fonseca zumindest besonderen Kunden dabei, diesen zentralen Punkt zu umgehen: Eine solch besondere Kundin ist die US-Amerikanerin Marianna O. Sie möchte nicht, dass ihre Schweizer Bank erfährt, wem das Konto ihrer Briefkastenfirma auf den Seychellen in Wahrheit gehört. Ein leitender Mossfon-Mitarbeiter kennt die Lösung: Sie braucht einen Premium-Strohmann, der nicht nur als Direktor Unterschriften leiste, sondern sich als wahrer Eigentümer ausgibt, und "dessen Name dann der Bank genannt wird" - was verboten ist. Sogar in Panama.

Das weiß man auch bei Mossfon, denn exakter Mitarbeiter hat das, laut den geleakten E-Mails, nur ein paar Monate zuvor einem Kollegen genau so selbst erklärt. Dennoch bietet er das Geschäft an, er schreibt allerdings, das sei "sehr heikel", deswegen auch: sehr teuer. Für das erste Jahr müsse man 30 000 US-Dollar nehmen, für das zweite dann 15 000. Der einfache Strohmann-Service kostet nur 500 Dollar im Jahr. Aber, rechtfertigt der Mossfon-Mitarbeiter den Preis, man habe ja so viele Umstände: "Wir müssen die natürliche Schein-Person anstellen, sie bezahlen, sie muss eine Menge Dokumente unterzeichnen, um uns zu decken, wir müssen dafür sorgen dass sie beweisen kann, ökonomisch in der Lage zu sein, über derart viel Geld zu verfügen, wir brauchen Referenzen, Wohnsitznachweise und so weiter."

Warum Marianna O. diesen Service gebraucht hat? Sie hatte offenbar ein paar Millionen Schwarzgeld bei Mossfon versteckt - und hat sich deswegen, das besagen interne E-Mails der Kanzlei, vor ein paar Jahren selbst angezeigt.

Seit am Sonntagabend die Panama-Papers-Veröffentlichungen begannen, ließ Mossfon nicht nur mitteilen, niemals Schein-Eigentümer vermittelt zu haben - sondern sich auch sonst immer an die Gesetze gehalten zu haben. Man sei in den fast 40 Jahren ihrer Geschichte nie einer kriminellen Handlung angeklagt worden.

Gegen panamaisches Recht verstoßen?

Die Panama Papers legen nun den Verdacht nahe, dass Mossack Fonseca möglicherweise doch gegen geltendes Recht verstoßen hat - auch gegen panamaisches. Ob die Staatsanwaltschaft dort gegen die im Land sehr gut vernetzte Kanzlei vorgehen wird - Ramón Fonseca, einer der Partner, war bis vor Kurzem noch Berater des Präsidenten -, ist eine andere Frage.

Grund genug hätte sie: Die Panama Papers zeigen, dass der Fall Marianna O. nicht der einzige ist, in dem Mossfon Schein-Eigentümer einsetzt; tatsächlich sind es etliche. So tritt derselbe Premium-Strohmann - ein naher Verwandter Ramón Fonsecas - auch für eine Briefkastenfirma aus Nevada auf, die innerhalb von ein paar Jahren mehr als 60 Millionen Dollar auf ein Konto bei der Deutschen Bank in Hamburg fließen lässt. Die Bank bedauerte, zu einzelnen Kundenbeziehungen nichts sagen zu können.

Aber das ist nur eine von zahlreichen problematischen Konstellationen. So hat Mossack Fonseca nach Recherchen der SZ und der britischen Zeitung Guardian mit etlichen Personen Geschäfte gemacht, obwohl diese von der Europäischen Union oder den USA sanktioniert worden waren - die Kanzlei bestreitet die Vorwürfe.

Ein E-Mail-Wechsel aus dem Jahr 2011 erhärtet einen konkreten Vorwurf. Es geht um Rami Makhlouf, einen Cousin des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Makhlouf gilt als einer von Assads wichtigsten Finanziers. Seit 2008 ist er von den USA sanktioniert. Mossfon stellt 2011 intern selbst die Frage: Sollte man weiter mit Makhlouf Geschäfte machen? Der Schweizer Jurist Christoph Zollinger, der damals als einer der drei Partner der Kanzlei agiert, wischt alle Bedenken vom Tisch: "Von meiner Seite", schreibt er in einer E-Mail vom 17. Februar 2011, könne man Mahklouf als Kunden behalten - schließlich habe auch die Londoner Bank kein Problem mit ihm. Mossfon nahm also offenbar wissentlich den Bruch von US-Sanktionen in Kauf - und später auch noch den von EU-Sanktionen, die im Mai 2011 gegen Makhlouf verhängt wurden. Erst Monate später beendete Mossfon die Geschäftsbeziehungen. Mit anderen Personen, die auf der schwarzen EU-Liste standen, blieb Mossfon sogar noch länger verbunden.

Deutschen Staatsbürgern, die EU-Sanktionen brechen, drohen bis zu zehn Jahre Haft

Auf ihrer Internetseite versichert die Kanzlei Anfang der Woche, nicht gewusst zu haben, das Makhlouf der wahre Eigentümer einer ihrer Firmen war.

Für Kanzlei-Gründer Jürgen Mossack könnte das Folgen haben. Nach Informationen der SZ verfügt er immer noch über einen deutschen Pass. Und einem deutschen Staatsbürger, der EU-Sanktionen bricht, drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Jürgen Mossack könnte auch in den USA Ärger erwarten. Dort versuchte der US-Hedgefond NML, Dokumente zu erklagen, welche die wahren Eigentümer von 123 in Nevada gemeldeten Mossfon-Firmen betrafen. Um seine Firma aus der Schusslinie zu nehmen, behauptete Mossack im Juli 2015 unter Eid, die Mossfon-Niederlassung in Nevada sei unabhängig - Mossack Fonseca habe deren "interne Angelegenheiten" nicht unter Kontrolle.

Dies kommt der Vernichtung von Beweismitteln gleich

Aus geleakten E-Mails vom Herbst 2014 geht hervor, dass Mossfon offenbar doch einen gewissen Einfluß hatte. Damals geht bei Mossfon das Gerücht um, das Nevada-Büro könnte durchsucht werden. Das aber wäre offenbar ungünstig, die Ermittler könnten "leicht Beweise dafür finden, dass wir etwas verstecken", schreibt ein Angestellter, und zwar die enge Verbindung von Mossfon Panama zu M.F. Nevada, wie die Niederlassung heißt.

Also bekommt die einzige Angestellte in Nevada, Patricia A., ein neues Telefon, "sodass der direkte Zugang zum gesamten Mossfon-Adressbuch (...) nicht gesehen werden kann". Ihr Zugriff auf das interne EDV-System wurde gelöscht, es sollte "den Ermittlern verborgen sein". Damit die Fahnder nicht herausfinden, dass A. zuvor das interne System genutzt hatte, sollte ein gewisser Francisco "via Fernsteuerung" ihren Computer "säubern". Zu guter Letzt kommt dann ein weiterer Mossfon-Mann nach Nevada, "säuberte (...) alles und brachte alle Dokumente nach Panama", heißt es in einer der E-Mails.

Dies kommt der Vernichtung von Beweismitteln gleich. Bei der Mafia gibt es einen eigenen Begriff für Leute, die nach der Tat die Spuren beseitigen: Cleaner.

Viele Verdachtsfälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung

Es sind noch weitere möglicherweise strafbare Handlungen in den Daten der Panama Papers enthalten: viele Verdachtsfälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung etwa, deretwegen die deutschen Behörden gegen Jürgen Mossack und Ramón Fonseca ermitteln. Deswegen haben deutsche Banken schon 50 Millionen Euro an Strafgeld gezahlt. Oder die Ermittlungen, die schon in der Schweiz, den USA, Frankreich und anderen Ländern laufen.

Unterhaltsam ist dieser Fall: Ein Schweizer Banker versucht, für einen Kunden aus Venezuela eine Firma zu bekommen. Als Direktor einer staatlichen Öl-Gesellschaft in Lateinamerika ist der Kunde ein "Pep": eine "politisch exponierte Person". Um Geldwäsche vorzubeugen, sollte man so jemandem besser nicht zu einer anonymen Firma verhelfen. Das macht Mossfon auch nicht, sondern findet eine andere Lösung: Statt des Öl-Direktors bekommt eines seiner Kinder die Vollmacht für die Firma. Der Banker solle aber in die Bestellung der Vollmacht, weist ihn Mossfon laut einer E-Mail an, bitte nur den Namen des Kindes schreiben, auf keinen Fall aber, dass es sich um das Kind des Direktors handelt: "Verstehst du, was ich meine?"

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