Panama Papers:Afrikas Ausplünderung

Immer mehr Menschen verlassen den Kontinent - und das Geld auch. Es verschwindet oft in Briefkastenfirmen. Wer Afrika helfen will, darf daher nicht bloß Entwicklungshilfe betreiben - sondern muss auch beim Kampf gegen Steuerflucht und Korruption ansetzen.

Kommentar von Tobias Zick

Für die europäische Politik wird Afrika immer dann interessant, wenn die Probleme des Nachbarkontinents auch physisch ins Bewusstsein vorstoßen. Die Ebola-Krise im Jahr 2014 etwa erreichte aus nördlicher Perspektive ihren gefühlten Höhepunkt, als sich plötzlich vereinzelt US-Amerikaner und Europäer infizierten.

Armut und Arbeitslosigkeit, repressive Regime, Terror und Bürgerkriege drängen sich dann auf der europäischen Agenda weit nach oben, wenn Menschen, die vor all dem fliehen, zu Tausenden auf Booten an Italiens Küsten stranden oder auf dem Weg dorthin ertrinken.

Nach dieser Logik kommen zurzeit einige Gründe dafür zusammen, Afrika für wichtig zu halten. In der Staatsruine Libyen warten Zehntausende Migranten aus südlicher gelegenen Ländern darauf, ihre Überfahrt in Richtung Hoffnung anzutreten, und die europäische Sichtweise, dass dies eher ein Problem als eine Chance darstelle, ist für die wenigsten von ihnen so überzeugend, als dass sie es sich deswegen anders überlegen würden. Zugleich wütet der islamistische Terror in Afrika an diversen Fronten.

Nur folgerichtig also, dass die Münchner Sicherheitskonferenz jetzt zum ersten Mal ein Regionaltreffen auf afrikanischem Boden veranstaltet hat, in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Keine Zauberfabrik für Rundum-Lösungen, aber immerhin ein Anstoß für die Beteiligten, sich ernsthafter als bisher mit Tatsachen wie dieser auseinanderzusetzen.

In Afrika südlich der Sahara leben heute gut eine Milliarde Menschen, Mitte des Jahrhunderts werden es mehr als doppelt so viele sein. Und diese Menschen werden tun, was zum Menschsein dazugehört: Sie werden nach einer würdevollen Existenz streben; nach einer Perspektive, das eigene Leben zu gestalten. Finden sich solche Perspektiven, dann kann die Zukunft des jugendlichen Wachstumskontinents Afrika tatsächlich sehr erfreulich aussehen. Es gibt allerdings Gründe dafür, den Optimismus vorerst noch zu zügeln.

Der Kampf gegen Steuerbetrug ist so wichtig wie Entwicklungshilfe

Plünderung von Afrikas Ressourcen, Korruption, Staatsversagen: Das sind viel zitierte Phänomene, die nun durch das, was die Panama Papers hergeben, ein wenig konkreter an Gestalt gewinnen. Die Akten der Firma Mossack Fonseca illustrieren an Beispielen, wie einheimische Machteliten und ausländische Geschäftemacher die Erlöse aus Bodenschätzen über Briefkastenfirmen außer Landes schaffen, vorbei an der Mehrheit des Volkes, vorbei an den Steuerkassen. Zurück bleiben schwache, dysfunktionale Staaten und erniedrigte Völker.

Jedes Jahr fließen mindestens 53 Milliarden Euro auf illegalen Wegen aus Afrika heraus, manchen Schätzungen zufolge könnte es auch mehr als das Doppelte sein. Deutlich mehr jedenfalls als die Summe all dessen, was im selben Zeitraum an Entwicklungshilfe hineinfließt. Könnte es sein, dass die internationale Gemeinschaft, wenn es um die Bekämpfung von Armut (und, wie es neuerdings heißt, "Fluchtursachen") geht, ein paar Prioritäten falsch gesetzt hat?

Korruption und Steuerbetrug in diesen Ausmaßen zerstören nicht nur unmittelbar die Funktionsfähigkeit staatlicher Organe, sie untergraben auch langfristig das Vertrauen in den Staat. Junge Menschen, die den Staat und seine Eliten vor allem als Plünderer erleben, suchen sich andere Loyalitäten. Es ist kein Zufall, dass islamistische Terrorgruppen oft und erfolgreich mit Kampfansagen gegen Korruption für sich werben.

Steuerfluchtwege schließen, Steuerbehörden aufbauen, Korruption auf allen Ebenen bekämpfen: Das muss höchste Priorität haben für alle, die es ehrlich meinen mit Aufbauhilfe für alle Afrika - oder auch für jene, die sich vor allem darum sorgen, dass die Konflikte des Kontinents auf andere überschwappen könnten.

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