Ostukraine:Ukrainische Lastwagen erreichen Krisengebiet um Lugansk

Erste Hilfslieferungen aus Kiew sind in der Ostukraine angekommen +++ Der russische Hilfskonvoi ist vor der Grenze gestoppt +++ Vertreter des Roten Kreuz nehmen Gespräche über die Hilfsgüter auf +++ Die ukrainische Armee intensiviert Angriffe auf Separatistenhochburgen Donezk und Lugansk +++

  • Die ukrainischen Lastwagen mit Hilfslieferungen haben das Krisengebiet um die Separatisten-Hochburg Lugansk erreicht. Dort haben Tausende seit fast zwei Wochen keinen Zugang zu Wasser, Nahrung und Strom.
  • Der umstrittene russische Hilfskonvoi stoppt vor der Grenze zur Ukraine, das Rote Kreuz hat Gespräche aufgenommen.
  • Die ukrainische Armee beschießt Medienberichten zufolge die von prorussischen Separatisten kontrollierte Großstadt Donezk im Osten der Ukraine.
  • Das ukrainische Parlament verabschiedet Sanktionspaket gegen Russland.

Ukrainische Lastwagen erreichen Krisengebiet

Hilfe für die leidenden Menschen in der umkämpften Ostukraine rückt näher. Die ersten ukrainischen Regierungs-Lastwagen mit Medikamenten und Lebensmitteln trafen am Donnerstagabend an einem Sammelpunkt nördlich von Lugansk ein.

26 Fahrzeuge aus Charkow erreichten am Abend die Stadt Starobelsk, wie der Sicherheitsrat in Kiew mitteilte. Mitarbeiter des Roten Kreuzes sichteten die Waren. Insgesamt hat Kiew 75 Lastwagen mit rund 800 Tonnen Hilfsgüter ins Krisengebiet geschickt.

In der Separatistenhochburg Lugansk mit mehr als 200 000 Einwohnern gibt es seit fast zwei Wochen weder Strom noch Wasser.

Russisscher Konvoi stoppt vor Grenze

Lugansk soll auch Ziel einer russischen Kolonne mit 2000 Tonnen Hilfsgütern sein. Der Konvoi steht aber wegen mangelnden Absprachen mit dem Roten Kreuz vor der ukrainischen Grenze. Das Rote Kreuz teilte mit, es habe Kontakt aufgenommen, viele Details müssten noch geklärt werden.

Ein hochrangiger Vertreter der Organisation ist in Kiew zu Verhandlungen über den umstrittenen Hilfskonvoi angekommen. Laurent Corbaz werde sich am Freitag mit den ukrainischen Behörden treffen, sagte eine Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Später werde er nach Moskau reisen. Corbaz ist für Europa und Zentralasien zuständig. Er werde bei den Treffen betonen, dass die geplante Hilfe für die Ostukraine nicht zum politischen Spielball werden dürfe, sagte die Sprecherin.

Der russische Konvoi machte nach Angaben der IKRK-Sprecherin am Donnerstag südlich der russischen Stadt Kamensk-Schachtinski halt. Westlich davon auf der ukrainischen Seite der Grenze liegt Luhansk, die von den Separatisten gehalten wird. Einer der Fahrer hatte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, man wolle den Grenzübergang bei Iswarine ansteuern, der von den Rebellen gehalten wird. Damit würde es den ukrainischen Behörden nicht möglich sein, die Ladung zu inspizieren. Allerdings müssten die 280 Lastwagen später durch den Ort Nowoswitliwka, den die ukrainische Armee am Donnerstag einnahm.

Die Regierung in Kiew befürchtet, Russland könnte unter dem Vorwand humanitärer Hilfe die Rebellen unerstützen.

Innenstadt von Donezk unter schwerem Beschuss

Die Innenstadt der von prorussischen Separatisten gehaltenen Stadt Donezk im Osten der Ukraine ist mit schweren Waffen beschossen worden. Mehrere Mörsergranaten schlugen in Gebäude der Polytechnischen Universität und der Staatsanwaltschaft ein, die von Vertretern der selbsterklärten Volksrepublik Donezk besetzt ist, berichtete eine Reporterin der Nachrichtenagentur AFP. Auch die britische BBC meldete den Beschuss der Stadt. Menschen hätten ihre Büros verlassen, nachdem ein Warnsignal zur Evakuierung ertönt sei. Die ukrainischen Regierungstruppen belagern die Industriestadt seit Wochen, doch leisten die prorussischen Separatisten heftigen Widerstand.

Auch habe die ukrainische Armee am Vortag mehrere Stellungen der Aufständischen in der Region um die größte Stadt in der Ostukraine angegriffen, wie die Agentur Interfax meldete. Unter anderem versuchten die Streitkräfte, die Städte Gorlowka und Jenakiewo einzukreisen. Der Stadtrat von Donezk teilte mit, die ganze Nacht seien Explosionen zu hören gewesen. Mindestens fünf Zivilisten seien getötet worden. Damit sei die Zahl der Toten seit Wochenbeginn auf etwa 60 gestiegen, sagte ein Sprecher der Aufständischen.

Nach UN-Informationen stieg die Zahl der von Mitte April bis August in dem Krisengebiet Getöteten inzwischen auf fast 2100. Im Konfliktgebiet Lugansk, wo es seit mehr als zehn Tagen keinen Strom und kein Wasser gibt, warteten die Menschen dringend auf Hilfe. In der Großstadt leben etwa 250 000 Menschen.

Separatistenführer erklären Rücktritt

Der Militärchef der ostukrainischen Separatisten, der Russe Igor Girkin (Kampfname "Strelkow"), ist zurückgetreten. Strelkow werde einer anderen Tätigkeit nachgehen. Dazu, welchen Posten Strelkow nun übernehmen solle, machten die Separatisten keine Angaben.

Auch einer der Separatistenführer in Lugansk, Waleri Bolotow, erklärte unterdessen seinen Rücktritt. Eine Kampfverletzung mache seine weitere Teilnahme an den Gefechten gegen die Armee unmöglich, aber er arbeitete hinter der Front weiter, sagte er. Vor kurzem hatte es auch in Donezk einen Führungswechsel gegeben.

Parlament in Kiew stimmt Sanktionen gegen Moskau zu

Das ukrainische Parlament hat ein Sanktionspaket gegen Russland in zweiter Lesung verabschiedet. Die Werchowna Rada nahm eine von Regierungschef Jazenjuk vorgelegte Liste von 65 Firmen und 172 Einzelpersonen aus Russland und anderen Staaten an.

Unklar war zunächst, ob Strafmaßnahmen die Energieunternehmen Gazprom und Transneft betreffen. Dies könnte einen Stopp russischer Öl- und Gaslieferungen nach Westeuropa zur Folge haben. Die EU hatte das wichtige Transitland vor einem solchen Schritt gewarnt.

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