Österreich:Wahlkampf mit miesen Methoden in Österreich

A motorcyclist passes presidential election campaign posters of Van der Bellen and Hofer in Vienna

Meinungsroboter und künstliche Reichweite: Der Wahlkampf zwischen dem rechten Kandidaten Norbert Hofer (Plakat rechts) und seinem Widersacher Alexander Bellen wird im Internet manipuliert.

(Foto: REUTERS)

Meinungsroboter und künstliche Reichweite: Vor der Bundespräsidentenwahl in Österreich versuchen die Kandidaten, die Debatten im Netz zu manipulieren. Die Rechtspopulisten der FPÖ leugnen und geben sich naiv.

Kommentar von Cathrin Kahlweit, Wien

Er finde es furchtbar, wie Wahlkämpfe heutzutage geführt würden, klagt der Politiker auf Facebook. Fürchterlich sei, wie mit persönlichen Angriffen, mit Hetze und Diffamierungen gearbeitet werde. Da werde den Kandidaten etwas angedichtet, Medien seien nicht objektiv, Bürger würden manipuliert.

Autor des Posts: Heinz-Christian Strache, Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Nachfolger von Jörg Haider, Erfinder der Kandidatur von Norbert Hofer, der am 4. Dezember Bundespräsident von Österreich werden will. Jener Strache, der 2012 eine üble, antisemitische Karikatur auf Facebook gepostet hat, erst bestritt, dass er sie selbst auf die Seite gestellt habe, dann, überführt, behauptete, der Davidstern sei gar kein Davidstern. Und, weil auch das nicht haltbar war, schließlich argumentierte, er könne kein Antisemit sein, weil er jüdische Freunde habe. Extremismusforscher bezeichnen das als Trias mit System: Provokation, kalkulierte Ambivalenz, Leugnung. Im Wahlkampf in Österreich lässt sich das täglich besichtigen.

In Österreich wird das Internet zur perfiden Wahlkampfwaffe

Hofer, der FPÖ-Kandidat für das höchste Amt im Staat, überlasst den Abräumern am rechten Rand die Drecksarbeit und hält sich sichtbar zurück. Er distanziert sich nicht - und nennt das "Loyalität". Extremisten sind immer die anderen. Hofer bedient eine andere Trias als sein Parteifreund Strache: Macht, Ohnmacht, Demut. Hofer stellt sich als Machtpolitiker dar, der im Notfall die Regierung entlassen würde, wissend, dass sich die Zahl der Österreicher, die sich nach einem "starken Mann", einem Anführer sehnen, in den letzten Jahren vervierfacht hat. Gleichzeitig inszeniert er sich als Opfer, vom politischen Gegner verfolgt, wegen einer Behinderung verhöhnt, von den (EU-)Strukturen beengt und eingehegt. Seine verführerische Antwort: Demütig werde ich die Pflicht auf mich nehmen, die Macht im Sinne des Volkes auszuüben. Wer das "wahre" Volk ist, das definieren Rechtspopulisten gewöhnlich als jene Mehrheit, die auf ihrer Seite ist.

Der seriöse Hofer, der angriffslustige Strache, als Mastermind im Hintergrund der Generalsekretär Herbert Kickl - sie schlagen getrennt und hoffen, mit dieser Taktik zu siegen. Haftbar sind sie gemeinsam für einen an Zynismen und Drohungen reichen Wahlkampf. Strache ist darin ein Meister. Während er über den moralischen Verfall lamentiert, postet er ein Foto, auf dem Gegenkandidat Alexander Van der Bellen aussieht, als habe er sich den Bart nur halbseitig rasiert. Strache denunziert ihn: Das sei wohl passiert, weil Van der Bellen so alt und vergesslich sei. Dabei weiß Strache, und räumt das auch ein, dass der Eindruck nur aufgrund einer schlechten Bildauflösung entstanden war. Ein Scherz, na und? Es ist derselbe Strache, der nichts dagegen hat, wenn FPÖ-Freunde Fotos von Van der Bellen posten, auf denen er mit Adolf Hitler verglichen wird. Derselbe Strache, der am Nationalfeiertag eine präfaschistische Hymne postet. Und so weiter, und so fort.

Dass man moderne Wahlkämpfe in den sozialen Netzwerken zielsicher ausrichten und dabei unendlich manipulieren kann, hat der Sieg des Rechtspopulisten Donald Trump in den USA gezeigt; Trump gab dafür mehr Geld aus als Hillary Clinton und bekam Schützenhilfe aus Moskau. Aber auch die Rechtspopulisten in Europa wissen genau, wie man die Wähleransprache mithilfe von Meinungsrobotern aufblähen, Fans und Likes künstlich vermehren, Reichweite kaufen, Beiträge bewerben, Zielgruppen umwerben kann.

Die Freiheitlichen tun das derzeit exzessiv; das Van der Bellen-Team versucht es auch, hängt aber nach. Ohnehin könnte die Kampagne der Hofer-Gegner gar nicht so effektiv sein wie die der Blauen. Denn die FPÖ kombiniert auf das Perfekteste Provokation und Manipulation, schickt ihre doppeldeutigen Botschaften vor allem über das Internet in die Welt - und erreicht mit der gewünschten Emotionalisierung die nötige Mobilisierung.

Es ist gespenstisch. Und wirkungsvoll. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat den Begriff des risikofreudigen "politischen Unternehmers" in die Debatte über den Populismus eingeführt. Der nenne sich selbst "volksnah" und stelle sich als Vertreter jener Wählerschichten dar, die mit dem Angebot der "Monopolisten" unzufrieden seien. Im Erfolgsfall führe das zu "schöpferischer Zerstörung"; Trump lässt grüßen. Die FPÖ reitet ihre Attacke passgenau auf die Wiener große Koalition, die ihr Regierungs-Monopol seit Jahrzehnten hält. Einer wie Alexander Van der Bellen, der nicht alles schlechtreden will, der erhalten, schützen, retten, der nicht vertreiben, austreten, abschieben will, der sieht in diesem Diskurs aus wie einer von gestern: einer, der das Spiel mit Häme und Angst nicht kann - und auch nicht können will.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: