Österreich:Die Populismusfalle

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Scharfe Asylpolitik, um Rechten das Wasser abzugraben? Die Wahl in Oberösterreich zeigt, warum das nicht funktioniert.

Analyse von Ruth Eisenreich

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Spitzenkandidat Manfred Haimbuchner freuen sich über ihr Wahlergebnis. Rechts im Bild: Parteistratege Herbert Kickl (Foto: dpa)

Wieder eine Wahl und wieder ein Erfolg für Österreichs Rechte: Mehr als 30 Prozent der Stimmen hat die Freiheitliche Partei (FPÖ) am Sonntag bei den Landtagswahlen in Oberösterreich geholt, doppelt so viele wie 2009. Die konservative Volkspartei (ÖVP) ist um mehr als zehn Prozentpunkte auf 36 Prozent abgestürzt, die sozialdemokratische SPÖ hat knapp sieben Prozentpunkte verloren. Gut möglich, dass die Rechten es damit auch erneut in eine Landesregierung schaffen - eine Fortsetzung der bisherigen schwarz-grünen Koalition ist trotz leichter Zugewinne der Grünen rechnerisch nicht möglich.

Das Wahlergebnis zeigt: Wer Rechtspopulisten mit Rechtspopulismus schlagen will, nützt vor allem den Rechtspopulisten. In Österreich scheitern die traditionellen Großparteien nun schon seit zwanzig Jahren mit dieser Strategie - und lassen trotzdem nicht von ihr ab.

Die ÖVP warb mit dem Slogan "Kein Asyl à la carte"

Vor allem die ÖVP hatte sich zuletzt nach Kräften bemüht, der FPÖ das Wasser abzugraben. Den Frühling und Sommer über hatte sich die rot-schwarze Bundesregierung beim Thema Flüchtlinge meist defensiv und überfordert gezeigt, zuletzt hatte die ÖVP wieder die Initiative ergriffen: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner forderte unter dem Schlagwort "Asyl auf Zeit", dass Asyl nur noch für drei Jahre erteilt werden kann und die Asylgründe jedes Flüchtlings danach erneut geprüft werden müssen. Experten kritisierten die Idee als populistisch und unsinnig, denn bereits jetzt kann der Asylstatus aberkannt werden, wenn kein Asylgrund mehr vorhanden ist. Das ÖVP-Konzept würde zusätzliche Arbeit für die ohnehin überlasteten Asylbehörden bedeuten, den Flüchtlingen würde die verstärkte Unsicherheit die Integration weiter erschweren. Deutschland hat deshalb eine ähnliche Regelung eben erst abgeschafft.

In Österreich aber erklärte sich die SPÖ zu Gesprächen über die Idee bereit, und auch der oberösterreichische Landeshauptmann (Ministerpräsident) Josef Pühringer von der ÖVP, eigentlich nicht als strammer Rechter bekannt, gab im Wahlkampf der Verlockung des Rechtspopulismus nach. "Mit Asyl auf Zeit sagen wir ganz deutlich: Ihr könnt bleiben, solange zuhause Krieg ist, aber dann heißt's nach Hause gehen", sagte er in der TV-Diskussion der Spitzenkandidaten. Im Parlament hielten ÖVP-Abgeordnete Täfelchen mit dem Text "Kein Asyl à la carte" hoch.

Das Ausländerrecht wird schärfer, die FPÖ stärker

"Man imitiert eine Partei, nimmt ihr dadurch die Themen weg und wird dann von ihren Anhängern gewählt: So funktioniert das nicht", sagt der österreichische Politologe und Kommunikationswissenschaftler Thomas Hofer. "Indem man die Rahmenerzählung des Gegners übernimmt, besorgt man dessen Geschäft."

Allein in diesem Jahr zeigt sich dieser Effekt nun schon zum dritten Mal. Ende Mai, noch bevor das Thema Flüchtlinge seine derzeitige Brisanz gewann, wurden in den Bundesländern Steiermark und Burgenland die Landtage neu gewählt. In beiden Ländern biederten sich die roten Regierungschefs an FPÖ-Wähler an: Der Steirer Franz Voves schimpfte im Wahlkampf über "integrationsunwillige" Ausländer, der Burgenländer Hans Niessl gilt sowieso als besonders "blauer" Roter, also als einer, der in seinen Positionen den Rechten nahesteht. In beiden Ländern gewann die FPÖ massiv Stimmen dazu, auf Kosten von SPÖ und ÖVP. Und in beiden Ländern nannten FPÖ-Wähler "Zuwanderung und Integration" als wichtigstes Thema im Wahlkampf.

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Auf Bundesebene zieht sich das Muster durch, seit die FPÖ in den frühen 90er Jahren unter Jörg Haider das Thema Ausländer für sich entdeckte. Fast alle österreichischen Innenminister seither, ob sozialdemokratisch oder konservativ, fuhren bei Asyl und Einwanderung eine harte Linie. Das Asyl- und Ausländerrecht wurde weiter und weiter verschärft. Zugleich wanderten - mit Ausnahme des Jahres 2002, als sich die FPÖ gerade als Regierungspartei selbst zerlegt hatte - bei sämtlichen Nationalratswahlen mehr Wähler von SPÖ und ÖVP zur FPÖ ab als umgekehrt. Das wichtigste Thema für FPÖ-Wähler waren jedes Mal die Ausländer.

In Oberösterreich war nun "Flüchtlinge und Asyl" für Wähler aller Parteien das dominierende Wahlkampfthema, wie die Wahltagsbefragung des Instituts Sora ergab. Und auch hier zeigte sich: Wer am liebsten in einem Land ohne Ausländer leben würde, geht lieber zum Schmied als zum Schmiedl, wählt also lieber das Original als die Kopie. Wer angab, in Bezug auf die "Bewältigung der Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern" vor allem "Ärger" zu empfinden - die anderen beiden Auswahlmöglichkeiten waren "Zuversicht" und "Sorge" - wählte zu 78 Prozent FPÖ. Fast ein Drittel der FPÖ-Wähler vom Sonntag hatte bei der letzten Wahl noch für die ÖVP gestimmt.

Durch das Anbiedern wurden FPÖ-Positionen zum Mainstream

Bei vielen Wahlen, so auch in Oberösterreich, würde die FPÖ wohl auch ohne das Flüchtlingsthema dazugewinnen, genährt von Politikverdrossenheit und Abstiegsängsten. Aber die Anbiederung der Mitte-Parteien an ihre Wähler stärkt sie zusätzlich. Wie unklug die Strategie ist, zeigen die Grünen, die anders als SPÖ und ÖVP nicht in die Populismusfalle tappen. Wie die FPÖ gewannen auch sie in diesem Jahr bei jeder Landtagswahl dazu - nur ein oder zwei Prozentpunkte zwar, aber im Vergleich zu den Totalabstürzen der traditionellen Großparteien ist das schon ein Erfolg.

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Von Ruth Eisenreich

Wenn die Rechtspopulismus-Strategie also jedes Mal schiefgeht, warum probieren SPÖ und ÖVP nicht einmal etwas anderes aus? Sonja Ablinger kennt das Innenleben der großen Koalition, sie war zehn Jahre lang Nationalratsabgeordnete der SPÖ. Als der "blaue Rote" Hans Niessl im Burgenland wenige Tage nach der verlorenen Wahl eine Koalition mit den Rechten verkündete, trat Ablinger, 49 Jahre alt, nach 30 Jahren Mitgliedschaft aus der SPÖ aus. In ihrer Zeit im Parlament sei auf ihre Einwände gegen rechte Rhetorik und Verschärfungen des Ausländerrechts immer die selbe Antwort gekommen, sagt sie: "Das verstehen die Leute nicht." Zudem gebe es auch in SPÖ und ÖVP mittlerweile viele, die Ausländer in erster Linie als Problem sähen. "Diese Haltung ist eingesickert", sagt Ablinger.

Im Laufe der Jahre seien durch das ungeschickte Anbiedern von SPÖ und ÖVP viele FPÖ-Positionen zum politischen Mainstream geworden, sagt auch der Politologe Thomas Hofer. Davon profitiert habe niemand außer den Rechten. "Die FPÖ muss gar nicht agieren", sagt Hofer, "die sitzt erste Reihe fußfrei und schaut sich das amüsiert an."

Dem Wahlergebnis angemessene Blicke: Die Spitzenkandidaten Josef Pühringer (ÖVP), Reinhold Entholzer (SPÖ), Manfred Haimbuchner (FPÖ), Rudi Anschober (Grüne) und Judith Raab (Neos). (Foto: dpa)
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