Obama-Herausforderer unter Druck:Romney tappt in die Steuer-Falle

Der Befreiungsschlag geht nach hinten los: Mitt Romney behauptet, in den vergangenen zehn Jahren stets mindestens 13 Prozent Steuern gezahlt zu haben. Steuerrechtler fragen sich: 13 Prozent - wovon? Romneys Vizekandidat Ryan kommt der Debatte zuvor: Er hat jetzt seine Steuerbescheide von 2010 und 2011 veröffentlicht.

Michael König

Ann Romney hatte es geahnt. "Haben Sie gesehen, wie wir angegriffen wurden?", fragte die Frau des republikanischen Präsidentschaftskandidaten am Mittwoch in einem Interview mit dem TV-Sender NBC. "Je mehr wir veröffentlichen, desto mehr werden wir angegangen und unter Druck gesetzt." Deshalb werde es von ihrem Mann keine weiteren Angaben zur finanziellen Lage der Familie Romney geben. Die seien nur "Munition für die anderen".

Presidential Candidate Mitt Romney Campaigns with His Vice Presidential Pick Rep. Paul Ryan

Mitt Romney: "In den vergangenen zehn Jahren habe ich jeweils mindestens 13 Prozent Einkommensteuer gezahlt." - Vizekandidat Paul Ryan (links) beziffert seinen Steuersatz für 2010 und 2011 auf 15 bzw. 20 Prozent.

(Foto: AFP)

Als das Gespräch am Donnerstag ausgestrahlt wurde, hatte ihr Ehemann Mitt es dann doch getan. Am Ende einer Woche, die von - mehrheitlich positiven - Schlagzeilen über die Nominierung seines Vizepräsidentschafts-Kandidaten Paul Ryan geprägt war, sagte der Republikaner bei einem Wahlkampf-Auftritt in South Carolina: "In den vergangenen zehn Jahren habe ich jeweils mindestens 13 Prozent Einkommensteuer gezahlt." Er finde das Interesse an seinen Steuern "ziemlich kleingeistig".

"Beweisen Sie es, Gouverneur Romney"

Das war wohl als Befreiungsschlag gedacht, um eine seit Monaten schwelende Debatte um den Reichtum des Republikaners endgültig zu beenden. Doch er ging nach hinten los: Die großen amerikanischen Zeitungen griffen das Thema begierig auf. Und für die Demokraten war Romneys Statement gewissermaßen ein Elfmeter ohne Torwart: "Beweisen Sie es, Gouverneur Romney", forderte Obamas Sprecher Ben LaBolt. Der Republikaner solle seine Steuererklärungen veröffentlichen, wenn er nichts zu verbergen habe.

Diesem Vorwurf will Romneys Vizekandidat Paul Ryan zuvorkommen. Er hat deshalb jetzt seine Steuerbescheide vorgelegt. Demnach zahlte Ryan im Jahr 2010 15,9 Prozent Steuern, 2011 waren es 20 Prozent. Die Steuererklärungen wurden auf der Wahlkampfseite Romneys veröffentlicht.

Das Lager des amtierenden Präsidenten versucht seit Monaten, den einstigen Investmentunternehmer Romney als skrupellosen Geschäftemacher darzustellen, der einst Jobs ins Ausland verlagert hat und am Fiskus vorbei seinen Wohlstand mehrt. Obamas Wahlkampfleiter Jim Messina forderte Romney am Freitag schriftlich auf, fünf zurückliegende Steuerbescheide zu veröffentlichen.

Ein Spruch wie ein Bumerang

Der demokratische Senator Harry Reid trieb das auf die Spitze, als er unter Berufung auf eine angeblich zuverlässige Quelle behauptete, Romney habe zehn Jahre lang überhaupt keine Steuern gezahlt. "Put up or shut up" ("Leg's auf den Tisch oder halt die Klappe"), rief Romney dem Senator daraufhin zu. Ein Spruch, der nun zum Bumerang werden könnte.

Die Tradition, der Öffentlichkeit Einsicht in die Steuerunterlagen zu gewähren, prägte ausgerechnet Mitt Romneys Vater George, der sich 1968 vergeblich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewarb. Er veröffentlichte damals Steuerunterlagen aus zwölf Jahren, viele spätere Kandidaten taten es ihm nach - Barack Obama legte vor seiner Wahl 2008 sechs Jahre offen. Ausgerechnet Mitt Romney will mit der Tradition brechen.

Warum? Das ist die Frage, die ihm politische Gegner und auch Anhänger mit wachsender Ungeduld stellen. Der Mann habe etwas zu verbergen, behaupten seine Kritiker. Auch seine neueste Aussage ist nicht geeignet, diesen Vorwurf zu widerlegen. Eher im Gegenteil.

"13 Prozent wovon? Das hat Romney nicht gesagt"

Steuerrechtler wie Ed Kleinbard gehen davon aus, dass der von Romney genannte Wert von 13 Prozent geschönt ist. Sie verweisen auf eine Unschärfe in seinem Statement: "13 Prozent wovon? Das hat Romney nicht gesagt", sagte der Professor der University of Southern California der Washington Post. Womöglich habe der Republikaner der Rechnung nur sein zu versteuerndes Einkommen zugrunde gelegt. Das sei ein "absurder Wert", kritisiert Kleinbard, weil Romney auf diese Weise beachtliche Teile seines Gesamtverdienstes ausgeklammert habe.

Mitt Romneys Vermögen wird auf 250 Millionen Dollar geschätzt. Anfang Januar veröffentlichte er seine Steuererklärung von 2010, wonach er in jenem Jahr mehr als 20 Millionen Dollar verdient hatte. Trotzdem zahlte er nur knapp 14 Prozent Steuern.

Anders als die meisten Amerikaner lebt Romney nicht von seinem Einkommen, sondern von Kapitalerträgen. Also etwa den Zinsen, die sein Vermögen einbringt. Und den Gewinnen, die seine Investments abwerfen. Kapitalerträge werden in Amerika niedrig besteuert (Hintergründe in diesem SZ-Artikel).

Anders sieht die Lage der Amerikaner aus, die von ihrem Einkommen leben: Die New York Times rechnet vor, dass schon ein US-Haushalt mit einem Einkommen von 100.000 Dollar etwa zehn Prozent Einkommensteuer abführen müsse. Für viele US-Bürger kämen dann noch andere Steuern hinzu, sodass der tatsächliche Steuersatz durchschnittlich bei etwa 20 Prozent und mehr liege.

"Und deutliche Erhöhungen für alle anderen"

Die Obama-Kampagne gibt sich Mühe, Romneys Finanzgebaren als anrüchig darzustellen. Dabei bewegt sich der Gegenkandidat auf rechtlich sicherem Boden. Der Republikaner lebt von einem System, das Spitzenverdiener begünstigt. Das vom einstigen US-Präsidenten Bill Clinton - einem Demokraten - eingeführt wurde. Das George W. Bush ausweitete und das Obama nicht entscheidend bremsen konnte.

Sollte Romney Präsident werden, will er die Reichen noch stärker entlasten. Er hat angekündigt, den Spitzensteuersatz auf Einkommen sowie die Unternehmensteuer zu senken und die Kapitalertragsteuer auf niedrigem Niveau beizubehalten. Das überparteiliche Tax Policy Center kam in einer Analyse zu dem Schluss, Romneys Vorschlag würde deutliche Steuersenkungen für die höchsten Einkommen bedeuten - "und deutliche Steuererhöhungen für allen anderen".

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