NSA-Affäre:Merkel: Ich habe nichts gewusst

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Im Untersuchungsausschuss sagt die Kanzlerin, erst spät von den BND-Abhörpraktiken erfahren zu haben. Der Geheimdienst habe gegen ihre Linie verstoßen, keine Verbündeten auszuspionieren.

Von Nico Fried, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eingeräumt, dass der Bundesnachrichtendienst gegen ihre Vorgabe verstoßen habe, nicht gegen verbündete Staaten zu spionieren. "Es sind Defizite festgestellt worden, die wurden abgestellt", sagte Merkel am Donnerstag als Zeugin vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Merkel hatte nach Bekanntwerden der NSA-Spionage durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden im Sommer 2013 gesagt: "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht." Im Frühjahr 2015 war aber bekannt geworden, dass der BND eigene Aktivitäten gegen Regierungsstellen, Politiker und Institutionen auch in Nato- und EU-Partnerstaaten gerichtet hatte. Merkel sagte, sie habe davon nichts gewusst. "Ich war der Überzeugung, dass man befreundete Staaten nicht abhört."

Merkel gab zu, dass man erst durch die Mitwirkung des Untersuchungsausschusses inzwischen "einen vollständigen Überblick" habe. Sie selbst sei davon ausgegangen, dass der BND keine politische Spionage bei Verbündeten betreibe. Sie habe sich aber auch nicht mit der Quellenlage beschäftigt. Über die kritischen Selektoren habe sie erstmals im März 2015 erfahren. Von ihrem damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der die Überwachung im Herbst 2013 gestoppt hatte, sei sie nicht informiert worden. "Ich wusste davon nichts", sagte Merkel und fügte hinzu: "Ich habe und hatte Vertrauen zu meinem damaligen Kanzleramtsminister."

Merkel widersprach dem Eindruck, es habe keine ernsthaften Bemühungen um ein No-Spy-Abkommen mit den USA gegeben. Anfang August 2013 sei sie über eine entsprechende Bereitschaft auf amerikanischer Seite informiert worden. Im Januar 2014 habe sie dann der zuständige Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche darüber informiert, dass man kurzfristig keine Einigung erzielen könne, die Verhandlungen aber auf Ebene der Dienste fortgeführt werden sollten. Ende April 2014 sei klar gewesen, dass eine Vereinbarung, sich nicht gegenseitig auszuspionieren, mit den USA nicht zustande kommen würde. Darüber habe man die Öffentlichkeit informiert.

Die Kanzlerin verteidigte die Entscheidung, dem früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden kein Asyl in Deutschland zu gewähren. Eine Prüfung durch das Auswärtige Amt und das Justizministerium habe ergeben, dass dafür die Voraussetzungen nicht vorlägen. Snowden, der im russischen Asyl lebt, habe "andere Angebote" zur Aussage nicht wahrgenommen, zum Beispiel per Video.

Oppositionsvertreter kritisierten Angela Merkels Verhalten in der Affäre. Die Linken-Obfrau Martina Renner warf dem Kanzleramt als BND-Aufsicht "massives Versagen" vor. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hielt Merkel vor, im Fall Snowden nur die "Viertelwahrheit" zu sagen. Auch der SPD-Obmann Christian Flisek sagte, beim gescheiterten "No-Spy-Abkommen" seien zu hohe Erwartungen geweckt worden. Der 2014 eingesetzte Untersuchungsausschuss soll klären, inwieweit Bürger und Politiker in Deutschland von der NSA ausspioniert wurden. Er hat sich mittlerweile zu 130 Sitzungen getroffen.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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