NRW: Neuwahlen wahrscheinlich:Der Wähler soll es richten

Gedämpfte Karnevalsstimmung im Düsseldorfer Landtag: Im Streit über den Haushalt drohen sich Rot-Grün und die Opposition jetzt gegenseitig mit vorgezogenen Neuwahlen. Nur eine Partei will nicht mitmachen.

Bernd Dörries

Nur noch die Linken sind dagegen, sie klingen ein wenig verzweifelt. "Neuwahlen sind gar kein Ausweg im Rechtsstreit um einen verfassungsgemäßen Landeshaushalt", sagte Linke-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann am Montag. Damit hat er nicht ganz Unrecht, aber ändern wird er nichts daran können, dass Nordrhein-Westfalen auf Neuwahlen zusteuert. Am Wochenende haben sich SPD, Grüne und CDU gegenseitig mit der Auflösung des Landtages gedroht, und auch die FDP hat gesagt, sie wolle mitmachen, obwohl sie nach Umfragen derzeit Probleme bekommen würde, wieder in den Landtag zu kommen.

Rosenmontagszug in Duesseldorf

Der Haushalt der rot-grünen Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist auch Thema beim traditionellen Rosenmontagszug in Düsseldorf. Im Landtag ist die Stimmung dagegen weniger heiter: Regierungskoalition und Opposition drohen sich gegenseitig mit Neuwahlen.

(Foto: dapd)

Die Entscheidung über Neuwahlen wird maßgeblich vom Urteil des Verfassungsgerichtshofes Münster über den Nachtragshaushalt 2010 abhängen. Rot-Grün hat einen Etat mit 7,1 Milliarden Euro Neuverschuldung vorgelegt, gegen den CDU und FDP klagten. Auch in der Minderheitsregierung wird fest davon ausgegangen, dass das Gericht den Etat am 15. März nicht für konform erklären wird, vor allem die durch Schulden finanzierten Rücklagen für die WestLB werden die Richter wohl verwerfen.

Entscheidend für die Frage nach Neuwahlen wird aber sein, ob das Gericht die Feststellung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts akzeptiert. Damit können Landes- und Bundesregierungen die Vorgabe umgehen, dass die Neuverschuldung nicht die Höhe der Investitionen übersteigen darf.

Verwirft das Gericht die Begründung, bekäme Rot-Grün unlösbare Probleme für die Verabschiedung des Haushaltes 2011, in dem die Schulden um 3,7 Milliarden Euro über den Investitionen liegen. Einsparungen in einer solchen Größenordnung hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) stets als unrealistisch bezeichnet, sie hätte dafür im Landtag auch keine Mehrheit, weil sich die Linkspartei gegen Personalkürzungen sperrt.

In der Regierungskoalition hat man sich nun entschieden, in die Offensive zu gehen, anstatt darauf zu warten, wie Gerichte entscheiden und ob die Opposition wieder klagt. "Wenn die CDU weiterhin die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung sucht, werden wir die Wähler befragen", sagte Fraktionschef Norbert Römer. Rot-Grün bekäme nach aktuellen Umfragen derzeit eine eigene Mehrheit im Landtag. Auch die Grünen stehen hinter der Neuwahldrohung, Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann warf CDU und FDP vor, noch zu Regierungszeiten selbst eine Neuverschuldung von über sechs Milliarden Euro für die nächsten Jahre eingeplant zu haben.

Eine Partei unter Zugzwang

Die CDU hatte zwar die Haushaltsklage angestrengt, bisher aber nicht von Neuwahlen als direkter Konsequenz aus dem Urteil gesprochen: Erst wenn der Haushalt 2011 ebenfalls vor Gericht scheitere und die Minderheitsregierung keinen verfassungsgemäßen Etat aufstellen könne, sei ein "Dokument des Scheiterns" gegeben, sagte der neue CDU-Landeschef Norbert Röttgen.

"Wir stehen Gewehr bei Fuß"

Er würde lieber noch warten mit einem neuen Urnengang, um Zeit zu gewinnen für den Neuaufbau der Partei. Röttgen war bisher wenig präsent im Land und hat als Bundesumweltminister genug zu tun. Für ihn bedeuten Neuwahlen ein hohes Risiko, er hat angekündigt, im Falle einer Niederlage der Union die Oppositionsarbeit im Düsseldorfer Landtag zu übernehmen.

Doch letztlich hat sich die Partei durch ihre Klagen und massive Kritik an der Regierung selbst unter Zugzwang gesetzt, in eine Situation, die Röttgen verhindern wollte, der einer Verfassungsklage skeptisch gegenüberstand. Eine Opposition, die sich Neuwahlen verweigert, ist aber schwer darzustellen. CDU-Generalsekretär Oliver Wittke blieb daher nichts anderes übrig, als die Drohung der SPD zurückzugeben - in der ihm eigenen Rhetorik: "Wir stehen Gewehr bei Fuß. Wir haben keine Angst vor Neuwahlen. Der Haushalt wird dadurch nicht verfassungskonform, sondern nur durch konsequentes Sparen. Dazu ist Rot-Grün aber weder willens noch in der Lage."

Derzeit ist es wahrscheinlich, dass um den 19. Mai herum über die Frage Neuwahlen entschieden wird, dann will Rot-Grün den Etatentwurf in den Landtag einbringen, und die CDU muss entscheiden, ob sie dagegen klagen wird. Falls der Landtag sich auflöst, müssten innerhalb von 60 Tagen, also noch vor der Sommerpause, Neuwahlen stattfinden. Im Landtagswahlkampf wäre dann die Finanzpolitik Hauptthema. Hannelore Kraft will mit ihrem Konzept der "präventiven Politik" durch Schuldenaufnahme und Investitionen in Betreuung und Bildung künftige "Reparaturkosten" des Staates senken. Röttgen argumentiert hingegen, nur sinkende Schulden seien nachhaltig und im Sinne der Generationengerechtigkeit.

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