Nordkorea:Blut und Reformen

  • Insgesamt 15 hohe Offizielle hat das Regime in Nordkorea im April hingerichtet.
  • Die Gründe für die verschärfte Repression sind unklar - es deutet aber einiges darauf hin, dass die jüngsten Hinrichtungen mit Reformen der Machthaber in Zusammenhang stehen.
  • Ziel der Gewalt dürfte vor allem sein, die Eliten des Landes einzuschüchtern.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Unter den 15 in Nordkorea im April hingerichteten hohen Offiziellen war auch Verteidigungsminister Hyon Yong Chol. Dies hat der südkoreanische Geheimdienst am Mittwoch bekanntgegeben. Angeblich habe der 66-Jährige seinem jungen Diktator Kim Jong Un nicht genug Respekt entgegengebracht. Zudem sei er bei einer Militärparade eingeschlafen. Das genügte für "Verrat". Nach Angaben von Nordkorea-Aktivisten in Seoul mussten mehrere Hundert ausgewählte Funktionäre bei der Erschießung zuschauen. Öffentlich war sie, anders als Hinrichtungen gewöhnlicher Krimineller, dagegen nicht.

Kim Jong Un, wenn er denn die Macht hat, die ihm zugeschrieben wird, oder die Kamarilla im "Organisationsbüro" der Partei, die im Hintergrund die Fäden zieht und den 32-Jährigen womöglich nur als Gallionsfigur nützt, haben die Schrauben der Repression in den letzten Jahren massiv angezogen. Vor allem gegenüber der Elite in Pjöngjang und an der Grenze zu China.

Sind die Hinrichtungen ein Zeichen der Schwäche?

Wer über Nordkorea schreibt, stochert im Nebel. Journalistische Sorgfalt ist nicht möglich, oft wird sie auch gar nicht versucht. So ist der Tod von Kims Tante Kim Kyong Hui, der Schwester seines Vaters, schon mehrfach gemeldet worden. Diese Woche soll ein Überläufer CNN gesagt haben, Kim habe seine Tante, einst Ministerin für Leichtindustrie, vor einem Jahr vergiften lassen. Jang Jin Sung, früher Propagandist des Regimes in Pjöngjang, heute Leiter eines gut vernetzten Thinktanks in Seoul, hält dem entgegen, dieser Überläufer existiere gar nicht.

Nordkorea: Kim Jong Un

Kim Jong Un

(Foto: AFP)

Die jüngsten Meldungen aus Pjöngjang über Hinrichtungen haben die Debatte wieder aufleben lassen, ob Kims Repression als Zeichen der Schwäche zu deuten sei. Hat er seine Macht noch nicht konsolidiert? Dabei wird übersehen, was das Regime mit solcher Brutalität wirklich bezweckt.

Kim, oder eher die Männer hinter ihm, haben erkannt, dass Nordkoreas Wirtschaft auf den Kollaps zusteuert. Dagegen haben sie sogenannte "30. Mai-Maßnahmen" beschlossen, die im Detail bisher nicht veröffentlicht worden sind. Der Russe Andrei Lankow, wohl der beste Kenner des isolierten Landes, der in Pjöngjang studiert hat und heute in Seoul Professor für Korea-Studien ist, sieht darin einen verhaltenen Versuch, die Wirtschaft nach dem chinesischen Modell zu sanieren. Und ein bisschen zu öffnen. Die bisher kollektivierten Bauern dürfen neuerdings in kleinen (Familien)-Teams arbeiten und 70 Prozent ihrer Ernte selber behalten, also auf den Märkten verkaufen. Bauernfamilien erhalten zudem 0,33 Hektar Land für privat bewirtschaftete Gemüsegärten. Lankov hält das für eine Revolution. Fabrikmanager sollen künftig mehr Verantwortung tragen, dafür können sie die Löhne selber festlegen und Leute entlassen. Einige kleine Fischerkooperativen wurden sogar privatisiert. Vieles davon sind erst Pläne, die gestoppt werden oder versanden können. Gleichwohl erinnern sie an Michail Gorbatschows erste Reformschritte. Er wollte das Sowjetsystem mit begrenzten Marktmechanismen retten. Und schwankte in seinen Anfängen, ob er die Lockerung der Wirtschaft mit einer verstärkten Repression gegen Regime-Kritiker ausbalancieren müsste. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, die Wirklichkeit eilte ihm davon.

Die Machthaber in Pjöngjang können das nicht riskieren. Wenn ihre Lockerung der Wirtschaft eine soziale Öffnung nach sich zieht, wie das in Russland und China geschah, dann bedeutet das nicht nur ein böses Ende von Kims Regime, sondern das Ende Nordkoreas. Die Alternative jenseits der innerkoreanischen Grenze ist viel zu verlockend. Deshalb versucht das Regime, vor allem seine Elite einzuschüchtern.

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