Norddeutschland:Neonazi-Gruppe gesprengt

Die norddeutsche Polizei hat am Dienstag eine Gruppe von gewaltbereiten Neonazis mit dem Kampfnamen "Combat 18" zerschlagen. Gut 50 Objekte vor allem in Kiel, Flensburg, Pinneberg, aber auch in Hamburg und Niedersachsen wurden von rund 300 Beamten in den frühen Morgenstunden durchsucht.

Von Ralf Wiegand

(SZ vom 29.10.2003) - Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Klaus Buß, sagte, ein "offenbar mit Teilen der rechtsextremen Szene verwobener florierender Waffenhandel" sei aufgedeckt worden. Nach Angaben von Matthias Henning, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Schleswig-Holstein, sind etwa zehn Personen festgenommen worden.

"Das ist der harte Kern, der mit dem nötigen Umfeld eine Menge Schaden hätte anrichten können", sagte Henning der Süddeutschen Zeitung. Am Nachmittag präsentierten das LKA und die Staatsanwaltschaft sichergestelltes Material, das die Gewaltbereitschaft der Gruppe belegen sollte.

"Combat 18" ist als rechtsterroristische Gruppe bekannt, die ihren Ursprung in England hat und dort für mehrere tödliche Anschläge verantwortlich gemacht wird. In Deutschland war ein "Combat-18"-Ableger womöglich ebenfalls bereits kriminell aktiv.

Im Internet findet sich seit längerem ein Bekennerschreiben, in dem die Gruppe "die volle Verantwortung" für die Schändung des jüdischen Friedhofs im holsteinischen Neustadt im Mai 2003 übernimmt. Laut LKA-Sprecher Henning ist die Echtheit des Schreibens allerdings nicht eindeutig geklärt.

In Neustadt hatten unbekannte Täter Grabsteine umgeworfen, mit dem Kürzel "C18" beschmiert und die Gräber mit einem toten Schwein geschändet. Im Internet wurden die Fotos des Neustädter Bürgermeisters, eines Staatsanwalts und des Landrats veröffentlicht und mit dem bedrohlichen Hinweis "Ihr seid die Nächsten" versehen. Das Schreiben leugnet zudem den Holocaust.

"Combat 18" unterhält enge Verbindungen zu dem Neonazi-Netzwerk "Blood and Honour" (Blut und Ehre), das in den achtziger Jahren ebenfalls in Großbritannien gegründet wurde und das zur Ideologisierung bevorzugt verbotene Skinhead-Musik verwendet.

"Blood and Honour" wurde in Deutschland am 14.September 2000 von Innenminister Otto Schily verboten. Dennoch fanden im April Polizisten bei der Durchsuchung von 43 Objekten in sieben Bundesländern im Rahmen einer Aktion gegen "Blood and Honour - Division Deutschland" Kriegswaffen. Den am Dienstag festgenommenen Personen wird nach Angaben des LKA vorgeworfen, "eine politisch motivierte kriminelle Vereinigung" zu bilden.

Es sei der erste Versuch in Deutschland gewesen, einen Ableger von "Combat 18" zu etablieren. Allerdings recherchierte das in Fürth ansässige Antifaschistische Dokumentations- und Informationsprojekt (adip) auch eine Verbindung der "Kameradschaft Süd" um ihren inzwischen inhaftierten Anführer Martin Wiese zu "Combat 18". Die "Kameradschaft Süd" hatte ein Attentat auf die Baustelle des jüdischen Gemeindezentrums in München geplant.

Über ihren Draht nach England berichteten sowohl die Frankfurter Rundschau als auch das TV-Magazin Report. Dem Verfassungsschutz, hieß es, seien indes keine Verbindungen deutscher Neonazis zu "Combat 18" bekannt. Auch die Festnahmen in Kiel, sagte LKA-Sprecher Henning, gingen nicht auf die Initiative des Verfassungsschutzes zurück.

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