Nolde-Bild bei Merkel:Anstößiges überm Kanzler-Sofa

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Nolde-Gemälde in ihrem Büro.

(Foto: dpa)

Angela Merkel mistet zwei Nolde-Bilder aus - wohl, weil eine neue Ausstellung dessen Nähe zum NS-System zeigt. Der Ersatz im Büro ist allerdings auch nicht unproblematisch.

Von Renate Meinhof

Selten nur ist es schön, sich von Liebgewordenem trennen zu müssen. Bilder an der Wand können einem sehr lieb werden, Bilder in Arbeitszimmern sowieso, weil der Mensch in der Regel viel Zeit darin verbringt. Angela Merkel, die oft bekannt hat, Liebhaberin der Bilder des Expressionisten Emil Nolde zu sein, trennt sich nun sehr plötzlich von zweien seiner Ölgemälde, die in ihrem Arbeitszimmer im Kanzleramt hängen - Leihgaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Stiftung habe die Kanzlerin gebeten, das Gemälde "Brecher" von Emil Nolde zurückzugeben. Das teilte ein Regierungssprecher auf Anfrage mit. "Dieser Bitte kommt die Bundeskanzlerin selbstverständlich gerne nach." Und sie wolle auch gleich noch das zweite Nolde-Gemälde "dauerhaft zurückgeben". Man könnte auch sagen: loswerden. Gerne nehme Merkel das Angebot der Stiftung an, von nun an zwei Bilder des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff in ihrem Arbeitszimmer aufhängen zu können.

Immer schon haben sich die Herrschenden der Welt, auch die deutschen Kanzler, der Kunst bedient und ihre Macht damit in Szene gesetzt. Kohl mit Kollwitz, Schröder mit Lüpertz und Baselitz. Helmut Schmidt verehrte Ernst Barlach und, wie Angela Merkel, Emil Nolde, sehr sogar.

Nun ist aber das Zimmer einer Kanzlerin ja kein Wechselrahmen. Was also hat es mit dem Bildertausch auf sich?

Die Angst der Stiftung, den Mythos Nolde zu verlieren, war groß

Dass Emil Nolde nicht nur ein großartiger Maler, ein von den Nazis als "entartet" gestempelter Künstler war, sondern auch ein Antisemit - das ist bekannt. Von welch zentraler Bedeutung der Antisemitismus aber für Nolde war, wie sehr sich der Maler dem NS-System annäherte und anbiederte, das kommt jetzt erst heraus. Es sind die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, zu dem auch die Ausstellung "Emil Nolde. Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus" gehört, die am 12. April in Berlin eröffnet wird. Der Historiker Bernhard Fulda hat als Erster den gesamten schriftlichen Nachlass der Noldes aufgearbeitet. Jahrzehntelang hatte sich die Stiftung Seebüll nahe der dänischen Grenze, wo das Ehepaar lebte, gegen eine Sichtung von außen gesperrt. Zu groß war die Angst um den Mythos Nolde. Der Verfemte, der mit einem Berufsverbot belegt wurde - ein Nazi? Christian Ring, der heute der Stiftung vorsteht, sagt der SZ: "Für mich ist es ganz wichtig, dass wir die Deutungshoheit über Nolde nun abgegeben haben. Die Fakten sind auf dem Tisch."

Der Mythos, die Legende. Emil und Ada Nolde haben strategisch daran gearbeitet. Und die "Deutschstunde" von Siegfried Lenz tat ihr Übriges. Jetzt wird wieder gefragt, ob man den Künstler denn von seinem Werk trennen könne. Eine Bundeskanzlerin kann das offensichtlich nicht. Vermutlich aber ahnt sie noch gar nicht, was ihr da mit Karl Schmidt-Rottluff in die Sitzecke segelt. Denn auch von ihm sind antisemitische Briefe erhalten geblieben. Ende 1914 beschreibt er die Juden als "die neue Gefahr im Lande". Und etwas später: "Diese Juden hier tragen die große Überzeugung schon öffentlich mit sich herum, dass sie nach dem Kriege auch politisch herrschen. Doch ich denke, der deutsche Gott wird uns davor bewahren und es ihnen gründlich in die Bude schneien lassen."

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