Nicolas Sarkozy verliert seine Immunität:Gefährliche Freiheit

"Karachi", "Bettencourt" und "Gaddafi" - schon im Wahlkampf spielten diverse Affären des scheidenden französischen Präsidenten eine Rolle. Da seine Immunität einen Monat nach Ablauf der Präsidentschaft endet, steht Nicolas Sarkozy bald Ärger mit der Justiz bevor. Der Sommer könnte für ihn äußerst unbequem werden.

Stefan Ulrich, Paris

Als Nicolas Sarkozy seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl eingestand, rief er seinen Anhängern zu, er werde nun wieder ein gewöhnlicher "Franzose unter den Franzosen" sein. Das bedeutet jedoch auch: Der Citoyen Sarkozy muss sich künftig wie jeder andere Bürger für mögliche Missetaten verantworten. Mindestens drei Affären bedrohen den scheidenden Präsidenten. Dabei geht es stets um die Beziehung von Macht und Moneten.

Outgoing French President Sarkozy and PM Fillon attend ceremony at Tomb of Unknown Soldier at Arc de Triomphe to commemorate end of World War II, in Paris

Nach seiner Amtszeit könnte es unbequem werden für Nicolas Sarkozy. 

(Foto: Reuters)

Bisher war Sarkozy vor Staatsanwälten und Untersuchungsrichtern gut geschützt. Die französische Verfassung räumt dem Präsidenten Immunität ein. Artikel 67 bestimmt: Die Justiz darf den Staatschef während dessen Amtszeit weder als Zeugen vorladen noch zum "Objekt" einer Untersuchung machen. Dieser Schutz endet einen Monat nach Ablauf der Präsidentschaft.

Sarkozy muss sich von 16. Juni an auf Ärger mit der Justiz einstellen. Schon im Wahlkampf spielten diverse Affären eine Rolle. Wenn das konservative Lager die Sexskandale des Sozialisten Dominique Strauss-Kahn thematisierte, tischte die Linke Geschichten auf, die Sarkozy treffen könnten. Sie sind unter den Namen "Karachi", "Bettencourt" und "Gaddafi" bekannt.

Die Sozialistin Ségolène Royal sagte, Sarkozy habe solche Angst vor einer Niederlage, weil er dann seine Immunität verliere. Eva Joly, die Kandidatin der Grünen, schimpfte: "Allein das Privileg der Präsidenten-Immunität schützt Nicolas Sarkozy." Joly war früher Untersuchungsrichterin.

Der älteste Fall, mit dem der Noch-Präsident konfrontiert werden könnte, ist die Affäre Karachi. Dabei geht es um Schmiergeld, das in den neunziger Jahren bei Waffengeschäften mit Pakistan floss. Die Justiz prüft, ob mit diesem Geld 1995 der Wahlkampf des damaligen Premiers und Präsidentschaftskandidaten Edouard Balladur finanziert wurde. Sarkozy war seinerzeit Budgetminister und Kampagnensprecher Balladurs. Seine Kritiker sagen, er müsse von den Zahlungen gewusst haben. Er selbst bestreitet das.

Im Fall Bettencourt steht der Verdacht im Raum, Sarkozy habe für seine Wahlkampagne 2007 Geld von Liliane Bettencourt erhalten, der reichsten Frau Frankreichs. Claire Thibout, die frühere Buchhalterin der Multimilliardärin, sagte aus, es seien Barbeträge in Sarkozys Wahlkampfkasse geflossen. Gegen Éric Woerth, den damaligen Schatzmeister von Sarkozys UMP-Partei, läuft ein Ermittlungsverfahren.

Als sich Sarkozy daran machte, den obersten Libyer Muammar al-Gaddafi zu stürzen, drohte dessen Sohn Saif al-Islam: "Wir haben seinen Wahlkampf finanziert, und wir haben Beweise. Das Erste, was wir von diesem Clown fordern, ist, dem libyschen Volk das Geld zurückzugeben." Die Internetzeitung Mediapart legte jetzt ein angebliches Dokument aus dem Jahr 2006 vor, das vom früheren libyschen Geheimdienstchef stammen soll. Darin steht, das Gaddafi-Regime wolle Sarkozys Wahlkampf 2007 mit 50 Millionen Euro unterstützen. Sarkozy bezeichnet das Papier als Fälschung. Er hat Mediapart verklagt. Die Internet-Zeitung antwortete mit einer Gegenklage.

Zu Zeiten Charles de Gaulles war es kaum vorstellbar, einen Präsidenten je vor Gericht zu stellen. Die Zeiten haben sich geändert. Vergangenen Dezember verurteilte ein Gericht Ex-Staatschef Jacques Chirac wegen Korruption zu zwei Jahren Gefängnis mit Bewährung. François Hollande, der künftig im Élysée-Palast herrschen wird, will die Immunität ohnehin abschaffen.

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