Neue Tonlage in NSA-Affäre:Ströbele zwingt Regierung zum Nachdenken

Sogar Hans-Christian Ströbele ist "fast zufrieden": Nach einer bemerkenswerten Sitzung der Geheimdienstkontrolleure des Bundestages will Innenminister Friedrich jetzt erstmals prüfen, wie ein Kontakt zu Edward Snowden hergestellt werden kann. Kanzleramtsminister Pofalla wird ganz kleinlaut.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Frage, ob denn die Krise jetzt beendet sei, beantwortet Ronald Pofalla nicht. Stattdessen: sieben dürre Sätze. Mehr ist von Kanzleramtsminister nach der Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) nicht zu hören. Kleinlaut wirkt der CDU-Mann und Chefaufseher über die Geheimdienste. Vor der Wahl hatte er in einem denkwürdigen Auftritt noch die ganze NSA-Affäre für beendet erklärt. Und das nur, weil es eine schriftliche Versicherung der Amerikaner gab, in der stand, die Deutschen müssten sich keine Sorgen machen. Der Spott im Netz war ihm danach sicher.

Jetzt ist alles anders. Die Amerikaner haben anscheinend das Handy von Pofallas Chefin abgehört. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, dass US-Geheimdienste jahrelang ihre Telefonate mitgehört haben, hat sich die Tonlage deutlich verändert.

Die heutige Sondersitzung ist auf Wunsch von Hans-Christian Ströbele zustande gekommen. Der grüne Bundestagsabgeordnete hat Edward Snowden in Moskau besucht, vergangene Woche der deutschen Öffentlichkeit von seiner Visite berichtet und jetzt auch den Geheimdienstkontrolleuren im Bundestag. Es muss eine bemerkenswerte Sitzung gewesen sein. Ströbele nämlich stellt sich danach vor die Kameras und sagt, was er nach Sitzungen des PKGr sonst nie sagt: Er sei "fast zufrieden". Er sei "wirklich beeindruckt", mit welcher Ernsthaftigkeit in dem Kontrollgremium diskutiert worden sei.

Pofalla hat dem PKGr außerdem von der Delegationsreise deutscher Geheimdienstler in die USA berichtet. Was er mitbringt, klingt wenig überraschend. Unter anderem die Erkenntnis, "dass es sehr wohl auch im Weißen Haus mittlerweile eine Situation gibt, in der die politische Dimension der Berichterstattung der letzten Wochen und Monate voll erkannt worden ist". Diese habe dazu geführt, dass auch in den USA die Arbeit der Geheimdienste überprüft werde. Er sehe große Chancen, in einem neuen Abkommen mit den USA "verlorengegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen".

Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, will zwar nicht mehr die Bundesregierung und vor allem Kanzlerin Angela Merkel direkt für den Schlamassel verantwortlich machen. Mit der Union sitzt die SPD ja derzeit in Koalitionsverhandlungen. Aber er macht deutlich, dass das neue Anti-Spionage-Abkommen keine Wischiwaschi-Verabredung werden dürfe. "Ich habe die klare Erwartung, dass dieses Abkommen ein rechtsverbindliches Abkommen ist." Vor allem soll darin nicht nur ein Spionageverbot für Regierungsstellen enthalten sein, sondern auch "Schranken der Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern" sowie der Wirtschaft.

Ströbele widerspricht Friedrich

Vor allem freut Ströbele sich über einen entscheidenden Schwenk: Die Bundesregierung will jetzt offenbar ernsthaft überlegen, in Kontakt mit Edward Snowden zu treten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nimmt jedenfalls aus der Sitzung den einmütigen Auftrag mit, zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen der US-Amerikaner, der die NSA-Affäre durch seine Enthüllungen losgetreten hatte, in Moskau befragt werden könne. Nicht abweichen will Friedrich allerdings von der bereits im Sommer gefällten Entscheidung, dass Snowden in Deutschland kein Asyl zustehe.

Ströbele widerspricht Friedrich: Ob Snowden Asyl oder eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland bekomme, sei am Ende eine politische Entscheidung. Vor der scheue sich die Bundesregierung aus Sorge, die aktuelle Vertrauenskrise zwischen den USA und Deutschland noch weiter zu verschärfen. Ströbele weist auf ein weiteres Problem hin. Wenn es offizielle Gespräche der deutschen Regierung oder des Bundestages mit Snowden geben soll, dann ginge das nur mit ausdrücklicher Zustimmung der russischen Regierung sowie unter deren Bedingungen. Schon deshalb "bestehe ich darauf, dass Snowden nach Deutschland kommt oder ein ähnliches Land".

Helfen wollen Snowden jetzt offenbar alle Parteien. Dafür wollen die Abgeordneten Kontakt zu den Geheimdienstkontrolleuren im US-Repräsentantenhaus aufnehmen, um ihnen die deutsche Sicht zu vermitteln. Snowden wolle grundsätzlich in die USA zurückkehren und dort aussagen, berichtet Ströbele. Dafür könnten solche Treffen den Weg bereiten. In einem müssten sich am Ende alle einig sein, sagt der Grüne, die Deutschen und auch die Amerikaner müssten Snowden dankbar sein. Ohne ihn "würde Merkels Handy wohl heute noch abgehört werden".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: