Naher Osten:Warum die Aussichten auf Frieden im Nahen Osten dramatisch schwinden

Naher Osten: Rauch hängt über Jerusalem, nachdem im April ein Bus explodiert ist: Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe.

Rauch hängt über Jerusalem, nachdem im April ein Bus explodiert ist: Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe.

(Foto: AFP)

Die Gewalt ist endemisch, die Lage verzweifelt. Israels Siedlungsbau macht einen Palästinenserstaat zunehmend unmöglich. Was jetzt noch helfen kann.

Kommentar von Peter Münch

Auch die Friedenssuche ist nicht mehr das, was sie einmal war. Früher war klar, was mit der Phrase vom nahöstlichen Friedensprozess gemeint war: Von Oslo bis Camp David und darüber hinaus ging es jahrzehntelang um den Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern. Heute aber ist der Kampf ums Heilige Land nur noch ein Schauplatz im nahöstlichen Getümmel. Wenn in der neuen Unübersichtlichkeit von Friedensbemühungen die Rede ist, geht es zuerst um Syrien, dann vielleicht um Libyen oder Irak, womöglich um Jemen.

Der Klassiker unter den Konflikten hat seine dominante Rolle verloren - aber nicht seine Brisanz und schon gar nicht seine übergeordnete Bedeutung. Denn es ist immer noch wahr, dass jeder Funke aus Jerusalem einen Flächenbrand auslösen kann. Andersherum gilt weiter das diplomatische Diktum, dass ein Friedensschluss hier nicht nur auf die gesamte Region ausstrahlen, sondern auch den Antagonismus zwischen der westlichen und der muslimischen Welt aufweichen kann.

Die Aussichten auf Frieden schwinden

Jenseits dieser in Stein gemeißelten Wahrheiten kümmert sich in der Praxis keiner mehr um diesen Kernkonflikt. Aktuell gibt es andere Anforderungen, obendrein ist die Erschöpfung groß. Denn der Zwist zwischen Israelis und Palästinensern hat noch jeden Vermittler zermürbt, zuletzt den zähen US-Außenminister John Kerry. Dessen Friedensinitiative war vor gut zwei Jahren kollabiert, seitdem herrscht Schweigen. Dass keiner mehr verhandelt und niemand mehr hinschaut, heißt aber nicht, dass nichts mehr passiert.

Im Gegenteil: Die Gewalt ist endemisch, und die Aussichten auf Frieden schwinden mit jedem Tag, weil der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten die Gründung eines Palästinenserstaats zunehmend unmöglich macht.

Das einzige international akzeptierte Friedenskonzept, die Zwei-Staaten-Lösung, erodiert vor den Augen der Betrachter. In dieser verzweifelten Lage ist jede Anstrengung willkommen. Frankreich hat nun das diplomatische Vakuum genutzt und die Vertreter von ungefähr 30 Staaten für diesen Freitag nach Paris eingeladen. Das Außenminister-Treffen soll den nahöstlichen Friedensprozess wiederbeleben. Die Protagonisten, Israelis und Palästinenser, sind erst einmal nicht geladen. Sie sollen dann zum großen Friedensgipfel kommen, der in Paris für die zweite Jahreshälfte geplant wird. Gewiss geht es Frankreich auch um die Selbstinszenierung, doch im Vergleich zu Tatenlosigkeit ist Eitelkeit auch in der Diplomatie eine eher lässliche Sünde.

Frankreich allein wird sich überheben an dieser Vermittlungsmission

Gut also, dass sie was tun in Paris. Fraglich ist nur, ob sie auch etwas bewirken. Immerhin hat es die französische Regierung dank einer Terminverschiebung um drei Tage geschafft, dass aus Washington Kerry kommt, um sich mal anzuschauen, was der Vermittler-Nachwuchs zu bieten hat. Der deutsche Außenmister Frank-Walter Steinmeier aber lässt sich wegen einer Südamerika-Reise von seinem Staatssekretär vertreten - und das ist noch ein eher kleines Indiz dafür, dass in Paris kein großer Wurf erwartet wird. Haupthindernis ist wieder einmal der Widerstand aus Israel, wo Premierminister Benjamin Netanjahu die französische Initiative schlicht zu ignorieren gedenkt.

Frankreich allein also, so viel ist klar, wird sich überheben an dieser Vermittlungsmission. Wenn überhaupt etwas Erfolg verspricht, ist es eine gebündelte internationale Anstrengung, die einen breiteren Rahmen steckt für den Friedensprozess. Um Israels rechte Regierung im 50. Jahr der Besatzung an den Verhandlungstisch zu bekommen, ist vor allem zweierlei nötig: Druck von amerikanischer und Anreize von arabischer Seite.

Man kann niemanden zum Frieden zwingen

Beides ist zumindest denkbar. Den Druck könnte sich Barack Obama leisten im letzten Jahr seiner Präsidentschaft, die vor einer gefühlten Ewigkeit mit einer visionären Nahost-Rede in Kairo begonnen hat. Und den Anreiz könnte die Runderneuerung jener saudischen Friedensinitiative von 2002 bieten, die Israel im Gegenzug für den Ausgleich mit den Palästinensern eine Anerkennung durch die Staaten der Arabischen Liga anbietet.

Man sieht: Für den Frieden im klassischen Nahost-Konflikt braucht niemand das Rad neu zu erfinden. Im Vergleich zu Syrien, Irak oder all den anderen neuen nahöstlichen Konflikt-Schauplätzen ist hier alles durchdacht, niedergeschrieben und verhandelt worden. Gescheitert ist jeder Anlauf stets daran, dass einem oder beiden der Kontrahenten der Mut zum Kompromiss fehlte. Zwingen kann man gewiss niemanden zum Frieden. Aber isolieren kann man den, der sich dem Frieden verweigert. Wenn dieses gemeinsame Signal von Paris ausgeht, wo Amerikaner, Araber und Europäer versammelt sind, wäre schon etwas gewonnen.

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