Naher Osten:Jeder gegen jeden

Naher Osten: Gewalt erzeugt Gegengewalt: Das Vorgehen der Regierung trifft vor allem die Zivilbevölkerung in den von Rebellen besetzten Gebieten. Im Bild: Eine Frau versucht sich samt Kindern in Sicherheit zu bringen. Die Bombardierung im Raum Hamouria forderte schon mehrere Dutzend Opfer.

Gewalt erzeugt Gegengewalt: Das Vorgehen der Regierung trifft vor allem die Zivilbevölkerung in den von Rebellen besetzten Gebieten. Im Bild: Eine Frau versucht sich samt Kindern in Sicherheit zu bringen. Die Bombardierung im Raum Hamouria forderte schon mehrere Dutzend Opfer.

(Foto: AFP)

Von Iran und Russland über Israel, die Türkei und die USA - in Syrien ringen die Staatenlenker um die Neuordnung der Region. Teils aus sehr persönlichen Motiven.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Islamische Revolution in Iran jährte sich am 11. Februar zum 39. Mal. Keine 24 Stunden zuvor schickten die Revolutionsgarden von Syrien eine Drohne in Israels Luftraum. Auf die Provokation folgte die schwerste Konfrontation der verfeindeten Staaten seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien, der erste Abschuss eines israelischen Kampfjets seit 35 Jahren durch die syrische Luftabwehr und die triumphalen Erklärungen der Hisbollah und Irans, die strategische Balance der Region trete in eine neue Phase.

Die Gefahr neuer Auseinandersetzungen im Nahen Osten wächst nicht erst, seit Israels Premier Benjamin Netanjahu auf der Sicherheitskonferenz in München mit einer Flügelklappe der abgeschossenen Drohne wedelte und Iran direkt mit Vergeltungsschlägen drohte. Die steigende Zahl von Zwischenfällen zeigt: Das Ringen um eine Neuordnung in der Region hat längst begonnen. Die Arena ist primär das vom Bürgerkrieg verheerte Syrien, weitere Schauplätze sind Jemen, Irak und Libanon. Der Konflikt zieht Kreise bis zum Horn von Afrika und nach Afghanistan.

Die Gegensätze zwischen den Akteuren treten wieder stärker hervor

Die Terrormiliz Islamischer Staat ist militärisch besiegt. Damit fiel der einende Feind weg, der die Gegensätze zwischen den Akteuren in den Hintergrund drängte. Jetzt kämpft jeder auf eigene Rechnung um die beste Ausgangsposition. Am heftigsten zu spüren bekommen das die Zivilisten in den vom Assad-Regime belagerten Rebellen-Enklaven. 230 starben allein vergangene Woche laut den UN, die meisten durch Artillerie- und Luftangriffe der syrischen und russischen Armee.

Doch damit nicht genug: Über Nordsyrien wurde ein Kampfhubschrauber des Nato-Mitglieds Türkei abgeschossen, offenbar von kurdischen YPG-Milizen, den engsten Verbündeten der USA in dem Bürgerkriegsland. Kurz zuvor hatten im Osten von Iran gesteuerte Schiiten-Milizen und russische Söldner versucht, einen YPG-Stützpunkt zu überrennen, auf dem US-Militärberater stationiert waren. Die Attacke schlugen die USA aus der Luft zurück, nachdem sie sich zuvor mehrmals bei der russischen Armee rückversichert hatten, dass diese keine Soldaten dort hat.

Die USA riskieren den Bruch mit der Türkei

Iran will einen schiitischen Bogen über Irak und Syrien bis Libanon spannen. Die Islamische Republik stiege so zur echten Regionalmacht auf mit Zugang zu Mittelmeer und Israels Grenzen. Die USA wollen das im Einvernehmen mit Israel und Saudi-Arabien verhindern. Moskau sieht Iran in Syrien zwar als nützlichen Alliierten, zugleich aber mit viel Misstrauen. Russland will selbst die Levante dominieren. Anders als der Kreml sich von Präsident Donald Trump erhoffte, machen dessen Generäle Jim Mattis und H. R. McMaster aber keine Anstalten, Moskau Syrien zu überlassen.

Sie riskieren dafür sogar den Bruch mit dem Nato-Alliierten Türkei. Denn Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat seinen Kampf gegen Baschar al-Assad dem Feldzug gegen die Kurden untergeordnet, versucht sich mit Russland und Iran zu arrangieren. Die USA schicken ihre Befehlshaber nach Manbij, um den Kurden die Hände zu schütteln und Erdoğan von einem Angriff abzuschrecken. Die Kurden, die im Osten Syriens mit den USA paktieren, bitten wiederum die syrische Armee und Russland um Hilfe in Afrîn.

Die Hardliner in Iran suchen die Konfrontation

Die Europäer versuchen zuvorderst verzweifelt, das Atomabkommen mit Iran zu retten. Sie sehen es noch als beste Versicherung, eine Eskalation zu vermeiden. Auch ihnen gilt Irans Verhalten in der Region als höchst problematisch. Aber sie setzen auf Diplomatie, um das zu ändern. Neue Gespräche mit Iran, wie am Wochenende in München, sind dringend nötig, sie müssen bald Ergebnisse zeitigen. Ob es aber gelingt, die Konflikte zu entschärfen oder gar eine Friedensperspektive für Syrien zu entwickeln, ist äußerst fraglich.

Die Hardliner in Iran suchen Konfrontation; sie wollen Präsident Hassan Rohani schwächen. Netanjahu setzt darauf, dass die Inszenierung als starker Staatsmann in gefährlichen Zeiten ihm hilft, einer Korruptionsanklage zu entgehen. Und Trump und seine Freunde am Golf reden sich ein, das Atomabkommen sei der zentrale Faktor beim Erstarken Irans - nicht die mit Lügen herbeigeführte US-Invasion 2003 im Irak unter George W. Bush, die vieles in der Region ins Rutschen brachte.

Eine taugliche Strategie, den Syrien-Krieg politisch zu lösen, haben weder Russen noch Amerikaner. Alle Seiten suchen derzeit nur ihren taktischen Vorteil. Das Risiko liegt darin, dass solche Scharmützel, wie es sie jüngst zuhauf gegeben hat, außer Kontrolle geraten. Es haben schon Kriege wegen geringerer Anlässe begonnen.

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