Nachhaltige Investments:Zwischen Rendite und Moral

150803 KABUL Aug 3 2015 An Afghan child works at a brick factory on the outskirts of Kabu

Dieser Junge arbeitet in einer Ziegelbrennerei in der Nähe der afghanischen Hauptstadt Kabul. Viele Familien in dem Land sind so arm, dass die Kinder Geld verdienen müssen, um das Überleben zu sichern.

(Foto: imago)

Nachhaltige Investmentprodukte wachsen enorm. Denn immer mehr Anleger wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert. Erstmals sollen jetzt allgemeingültige Kriterien für Ordnung sorgen.

Von Jan Willmroth

Manchmal verblasst Ruhm ziemlich schnell. Gerade einmal eine Woche lang konnte sich der Wolfsburger Automobilkonzern Volkswagen im Herbst rühmen, "erneut nachhaltigster Autohersteller der Welt" zu sein, ausgezeichnet von der Ratingagentur Robeco SAM. Diese zeichnet jedes Jahr die grünen Vorbilder unter den Weltkonzernen aus: Unternehmen, die sich besonders durch Umweltschutz oder soziale Verantwortung hervortun. Die Bewertung ist nicht nur wichtig fürs Image, sie wirkt auch als Rechtfertigung für grüne Fonds rund um den Globus, die Aktien eines Konzerns ins Portfolio aufzunehmen.

Dann kam der Skandal um manipulierte Abgaswerte: Volkswagen hat mit illegaler Software die Aufsichtsbehörden ausgetrickst. Die Manipulationen wurden von der US-Umweltbehörde EPA aufgedeckt. Das warf die Umweltbilanz des Konzerns über den Haufen, plötzlich standen Betrugsvorwürfe in Zusammenhang mit dem angeblich nachhaltigsten Autohersteller. Fonds, die das Geld ihrer Anleger nach nachhaltigen Kriterien investieren, beeilten sich, VW-Aktien loszuwerden. Robeco und andere Ratingagenturen stuften Volkswagen herab.

Die Branche lebt von dem Versprechen, dass es Wege gibt, mit Geld die Welt zu verbessern

Es war nicht das erste Mal, dass Anleger in ihren Fondsprodukten Aktien von Firmen vorfanden, die doch nicht so umweltfreundlich und ethisch korrekt handeln. Noch immer gilt: Grün ist nicht gleich grün, wenn es um Geldanlage geht. Es ist eines der Kernprobleme einer noch immer kleinen, aber boomenden Branche. Einer Branche, die von dem Versprechen lebt, dass Rendite, Sozialstandards und Umweltschutz sich nicht widersprechen, dass es Wege gibt, mit Kapitaleinkünften die Welt zu verbessern.

Gerade zum Klimagipfel in Paris wird die Diskussion verstärkt geführt: Was kann die Finanzwelt tun, um die Erderwärmung zu begrenzen? Inmitten einer Vielzahl an Initiativen, die Ausstieg aus Investments in fossile Brennstoffe fordert, zu einer Zeit, da Versicherungskonzerne wie Allianz und Axa aus der Kohlefinanzierung ausgestiegen sind, fällt das auch auf den Privatanleger zurück: Wie kann ich mein Geld mit gutem Gewissen anlegen - und trotzdem eine Rendite erzielen?

Seit 2005 erhebt das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) Daten zu den nachhaltigen Anlagemärkten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Segment ist stark gewachsen. Laut FNG sei das in nachhaltigen Fonds investierte Vermögen allein 2014 um ein Viertel gestiegen. An die 200 Milliarden Euro haben Anleger im deutschsprachigen Raum nach nachhaltigen Kriterien investiert, auf Investmentfonds entfallen etwa 50 Milliarden, davon 15 Milliarden in Deutschland. Verglichen mit den 842 Milliarden Euro, die laut Fondsverband BVI in Deutschland in Publikumsfonds stecken, ist das zwar mickrig. Die Zahl von mehr als 300 Nachhaltigkeitsfonds, die inzwischen zur Wahl stehen, reicht aber aus, um den Überblick zu verlieren. Die Anlagekriterien unterscheiden sich erheblich. Sie reichen von Fonds, die sich an Nachhaltigkeitsindizes orientieren und den sogenannten Best-in-Class-Ansatz verfolgen, bis hin zu Gesellschaften, die ihre Manager strengen Ausschlusskriterien und einem Ethikrat unterwerfen. Bei Ersteren dürfen auch Firmen im Portfolio sein, wenn sie relativ zu den Konkurrenten der Branche als die umweltfreundlichsten gelten, bei Letzteren muss sich das Management jedes Investment einzeln von einem Gremium absegnen lassen. Wie streng er selbst sein Geld angelegt wissen möchte, entscheidet der Anleger. Dabei kommt es auf Grundsätzliches an: Ist der Klimaschutz wichtiger oder doch die soziale Verantwortung?

Eine Entscheidungshilfe bietet seit einiger Zeit die Verbraucherzentrale Bremen. Zuletzt haben deren Experten gemeinsam mit der Stiftung Warentest im Frühjahr 46 gängige Fonds untersucht, davon 34 Aktien- und zwölf Rentenfonds. Es zeigte sich: Lediglich der Verzicht auf Investitionen in Unternehmen, die für Rüstungsgüter, Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen bekannt sind, ist einigermaßen Konsens. 39 der untersuchten Fonds schließen Investitionen in die klimaschädliche Kohle- und Ölindustrie nicht aus. Und acht der Öko-Fonds konnten noch nicht einmal garantieren, dass kein Geld mit Investitionen in Waffen und Panzer verdient wird. Einzig der Fonds von Alexander Mozer konnte die Tester restlos überzeugen. Er managt den ältesten Fonds der Fondsgesellschaft Ökoworld. Mozer kritisiert vor allem die mangelnde Transparenz in der Branche: "Dem Anleger fehlt oft die Differenzierungsmöglichkeit", sagt er, also die Möglichkeit, zu erkennen, ob ein Fonds tatsächlich den eigenen Überzeugungen entspricht. Auch die Verbraucherzentrale Bremen bemängelt bei vielen Fonds mangelnde Transparenz. Oft sei nicht nachvollziehbar, nach welchen genauen Kriterien das Anlegergeld investiert werde.

Keine Waffen, keine Atomkraft, keine Kinderarbeit - es gibt klare Ausschlusskriterien

Das zerfaserte Fondsangebot ließ es lange unmöglich erscheinen, allgemein verbindliche Kriterien festzulegen: Wann ist ein Fonds grün? Drei Jahre lang setzten sich vom FNG einberufene Experten damit auseinander. Kommende Woche stellt das Forum erstmals ein Gütesiegel für nachhaltige Publikumsfonds vor. Um es zu erhalten, müssen Anbieter Mindeststandards erfüllen, es gibt klare Ausschlusskriterien: keine Waffen, keine Atomkraft, Berücksichtigung von Menschenrechten, Arbeitsstandards und umweltschädlichem Verhalten sowie Korruption und Bestechung. So wolle man künftig die Beliebigkeitsfalle vermeiden, heißt es beim FNG. Zusätzlich können Fonds in einem Stufenmodell zusätzliche Punkte in den Bereichen Produktstandards, institutionelle Glaubwürdigkeit, Selektion und Dialog sammeln.

Fälle wie Volkswagen oder BP wird das auch in Zukunft nicht verhindern können. Vor der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko fanden sich auch BP-Aktien in zahlreichen Öko-Fonds. Maximale Transparenz wird da auch ein Siegel nicht herstellen können. Bei nachhaltigen Fonds gilt daher mehr als ohnehin schon: Wer mit gutem Gewissen anlegen will, sollte sich intensiv mit den Produkten auseinandersetzen.

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