Militärgewalt in Syrien:Sicherheitsrat berät nach "alarmierender Eskalation"

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Wahllose Gewalt gegen Zivilisten: Nach dem brutalen Militäreinsatz in Hama verurteilen Deutschland und die USA die syrische Führung scharf, Italien zieht seinen Botschafter aus Damaskus ab. Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates wegen der Gewalt in Syrien wird es aber vorerst nicht geben.

Die Gewalt des syrischen Regimes gegen das eigene Volk hat nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) eine neue Stufe erreicht. Allein am Sonntag habe das Militär in der Stadt Hama nach glaubwürdigen Berichten bis zu 140 Menschen getötet, sagte der Vize-Generalsekretär der politischen Abteilung der UN, Oscar Fernandez-Taranco, in einer von Deutschland beantragten Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.

Der Präsident kümmert sich um sein Militär, nicht aber um sein Volk. Baschar al-Assad besucht in Damaskus einen verwundeten Offizier. (Foto: dpa)

Nach Angaben von Oppositionellen sind am Sonntag in Hama 97 Menschen erschossen worden. In Deir al-Zor und in der Ortschaft Albu Kamal kam je ein weiterer Mensch ums Leben. Der Argentinier Fernandez-Taranco sprach von einer "alarmierenden Eskalation". Das Militär schieße wahllos auf Zivilisten, sagte er nach Angaben westlicher Diplomaten.

Italien zieht währenddessen Konsequenzen aus der andauernden Gewalt: Das Land ruft seinen Botschafter aus Damaskus zu Konsultationen nach Rom zurück. Außenminister Franco Frattini hat gleichzeitig vorgeschlagen, dass alle EU-Länder diesem Schritt folgen sollten.

Seit Beginn des Konflikts wurden in Syrien mutmaßlich mehr als 1500 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 Menschen sollen als politische Gefangene inhaftiert worden sein und mindestens 3000 verschwunden - unter ihnen auch Kinder. Nach Angaben von Aktivisten ging die Militäroffensive am Montagabend weiter. In Hama seien mindestens zwei Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Die Schießereien hätten nach den Abendgebeten begonnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Präsident Assad "in aller Deutlichkeit auf, Gewalt gegen das eigene Volk umgehend einzustellen". Deutschland behält sich weitere Sanktionen gegen das Regime in Damaskus vor. Das teilte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans in Berlin mit.

Auch US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte das Vorgehen der syrischen Führung scharf: Die Offensive unterstreiche "erneut die Brutalität und Bösartigkeit" des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Der Staatschef sorge mit seinem Vorgehen dafür, "dass sein Regime Teil der Vergangenheit ist, während das syrische Volk seine Zukunft selbst bestimmt".

Assad lobte die syrische Armee dafür, dass sie "ihre Loyalität zu ihrem Land und Volk bewiesen" hätte. "Syrien ist dazu fähig, das neue Kapitel der Verschwörung durch die Wachsamkeit seines Volkes und durch nationale Einheit zu ersticken", zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Mit dem jüngsten Vormarsch will Assad aus Sicht von Beobachtern wieder die Initiative an sich reißen. Seit mehr als vier Monaten bedrängen landesweite Massenproteste sein Regime. Für den Fastenmonat Ramadan hatte die Opposition verstärkt Aktionen angekündigt.

Resolution wird es vorerst nicht geben

Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates wird es vorerst nicht geben. Der Libanon und zwei weitere Sicherheitsratsmitglieder seien gegen das Papier, dass das Regime in Damaskus verurteilt, sagte der indische UN-Botschafter Hardeep Singh Puri, der den Rat in diesem Monat führt, am Dienstag nach einer Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York.

Er nannte die beiden anderen Länder nicht, es gilt aber als sicher, dass es Russland und China sind. Beide können als ständige Mitglieder mit ihrem Veto jeden Vorstoß blockieren. Von Teilnehmern der Runde hieß es zudem, dass die Resolution noch nicht völlig vom Tisch sei. Zu einem Ergebnis können aber Tage oder gar Wochen vergehen.Auch Indien, Brasilien und Südafrika hatten Bedenken. Diese drei Staaten waren nach den blutigen Zwischenfällen der vergangenen Tage aber eher als zuvor bereit, zu handeln. Eine Resolution braucht 9 der 15 Sicherheitsratsstimmen - und mindestens die Enthaltung der fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich.

US-Außenministerin Clinton hatte bereits am Montag (Ortszeit) die internationale Gemeinschaft aufgefordert, "sich in dieser kritischen Zeit hinter das syrische Volk zu stellen". Ihr Appell richtete sich vor allem an die Veto-Mächte Russland und China, die eine Resolution bislang ablehnen. Für eine Resolution setzten sich Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich und Portugal ein.

Die Europäische Union setzte nach dem Massaker von Hama fünf weitere Namen auf eine Liste von Personen aus dem Assad-Regime, die nicht mehr in die EU einreisen dürfen. Von diesen nun insgesamt 35 Personen wurde auch das in der EU befindliche Vermögen eingefroren.

© dpa/afp/mikö/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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