Migration:Als wäre die Vogelfreiheit wieder eingeführt worden

Demonstration gegen Abschiebung von Flüchtlingen

Im Rahmen einer Sammelabschiebung wurden am Mittwoch etwa 50 abgelehnte Asylbewerber von München nach Kabul zurückgeflogen.

(Foto: dpa)

Der Umgang mit Flüchtlingen ist ins Zentrum des Wahlkampfs geraten. Es wird abgeschoben, um Tatkraft zu demonstrieren. Karlsruhe muss eingreifen.

Kommentar von Heribert Prantl

Acht und Bann - das war einst eine Strafe in der Peinlichen Halsgerichtsordnung. Der Bestrafte war vogelfrei, aus der Friedensgemeinschaft ausgeschlossen, jeder konnte mit ihm machen, was er wollte. Wer sieht, wie in Deutschland mit den Afghanistan-Flüchtlingen umgesprungen wird, der könnte meinen, die Vogelfreiheit sei wieder eingeführt worden. Das Bundesverfassungsgericht muss (wie soeben in einem baden-württembergischen Fall) in letzter Minute eingreifen, um zu verhindern, dass der Flüchtling "ex lex", also rechtlos wird.

Die vollziehende Gewalt, so steht es im Grundgesetz, ist "an Gesetz und Recht gebunden". Das gilt auch für die Gewalt, die Abschiebungen vollzieht. Wenn aus Abschiebungsentscheidungen Willkür-Entscheidungen werden, die vom Wahlkampf gesteuert werden - dann ist das allemal einen Koalitionsstreit wert. Es wäre also seltsam, wenn der grüne Ministerpräsident Kretschmann seinen schwarzen Innenminister einfach weitermachen ließe und darauf vertraute, dass die Karlsruher Richter ihm die Arbeit und das Bekenntnis zum Rechtsstaat abnehmen. Das wäre nicht grüne, sondern feige Politik.

Die Abschiebepolitik ist ins Zentrum des Wahlkampfs geraten. Es wird abgeschoben, um Tatkraft zu demonstrieren. Das geht nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach Parteifarbe und Parteifärbung. Man wünscht sich, auch da würde Karlsruhe dazwischenfahren.

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