Merkel nach dem Euro-Gipfel:Verstrickt in Versprechen

Nach ihrem Erfolg in Brüssel hat die Kanzlerin in Berlin nun erst einmal Ruhe. Doch Merkel hat viel versprochen. Wenn Frankreich und Italien schwächeln, werden diese Versprechen kaum haltbar sein. Und dann hat die Kanzlerin ein noch größeres Problem.

Thorsten Denkler, Berlin

Wieder ist ein Euro-Krisengipfel überstanden. Wieder kann Kanzlerin Angela Merkel zufrieden nach Berlin zurückreisen, denn ihre Bilanz ist gut.

EU Summit on the Euro crisis

Alle Kameras auf die Kanzlerin: Angela Merkel konnte in Brüssel ihre Anliegen durchsetzen. Ob sie am Ende davon profitiert, ist allerdings alles andere als sicher.

(Foto: dpa)

Sie wollte den Schuldenschnitt für Griechenland - sie hat ihn bekommen.

Sie wollte zwei Instrumente, um die 440 Milliarden Euro im Rettungstopf des EFSF auf mehr als eine Billion Euro zu hebeln - sie hat sie bekommen.

Sie wollte eine Eigenkapitalerhöhung der Banken - hat sie bekommen.

Außerdem hat die Kanzlerin für die Vorschläge tags zuvor im Bundestag von den Abgeordneten von Union und FDP die Kanzlermehrheit erhalten. Die war nicht einmal nötig und ist diesmal ohne jeden Druck, ohne jeden Appell an mögliche Abweichler zustande gekommen. Und das, obwohl einige Abgeordnete der Regierungsfraktionen sich krankgemeldet hatten.

Also ein Erfolg auf ganzer Linie für die Kanzlerin? Mitnichten.

Der Gipfel von Brüssel ist wieder nur eine Momentaufnahme. Merkel hat ein wenig Zeit gewonnen. Vor der Entscheidung über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes EFSF auf 440 Milliarden Euro vor drei Wochen schien die Koalition schon fast am Ende zu sein. Hätte sie da die Kanzlermehrheit nicht erreicht, Merkel hätte einpacken können. Jetzt gibt es zumindest keine offensichtlichen Anzeichen für ein Führungsversagen der Koalition.

Die Ruhe hat sie sich unter anderem zum Preis von zwei sehr teuren Versprechen erkauft. Versprechen eins: Die deutschen Bürgschaften für die EFSF werden nicht ausgeweitet. Versprechen zwei: Es wird keinen Zugriff auf unbegrenzte Kredite der Europäischen Zentralbank geben.

Doch nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Die nächste Akut-Krise kommt bestimmt. Italien steht auf der Kippe. Frankreich ist kurz davor, seinen AAA-Status für höchste Kreditwürdigkeit zu verlieren. Sollten sich die Probleme in diesen Ländern weiter verschärfen, dann gehen die Debatten alle von vorne los. Nur wird es für Merkel ungleich schwerer werden, sie einzudämmen.

Wenn etwa Frankreich herabgestuft wird, dann muss zwangsläufig die Absicherung der EFSF neu verhandelt werden, damit sie ihren AAA-Status behält. Sehr wahrscheinlich wird sich Deutschland dafür noch stärker an der Haftung beteiligen müssen. Derzeit bürgt die Bundesrepublik für 211 Milliarden Euro. Es könnten dann - allen Versprechungen zum Trotz - schnell mehr als 270 Milliarden Euro werden, wie Experten schätzen.

Die Krise wird noch sehr lange dauern

Noch ein Szenario muss Merkel beunruhigen: wenn nämlich die Hebel nicht funktionieren und sich nicht genug Käufer für die über die EFSF noch so gut abgesicherten Schrott-Anleihen der angeschlagenen Staaten finden lassen. Dann bleibt nur noch, die Geldschleusen der Europäischen Zentralbank zu öffnen.

Mit ihren Versprechungen haben sich Merkel und die gesamte Koalition weit aus dem Fenster gelehnt. Da ist im Grunde nichts Neues. Vor drei Wochen schloss die Koalition noch Schuldenschnitt und Hebel aus. Jetzt kommen sie doch.

EZB-Beteiligung und die Höhe der Bürgschaft aber haben für das innere Gefüge der Koalition große Bedeutung. Das sind rote Linien, vom FDP-Parteivorstand sogar per Beschluss gezogen. Diese Fragen sind schwarz-gelbe Sollbruchstellen.

Merkel hat recht: Die Krise wird noch sehr lange dauern. In Berlin laufen schon erste Wetten: Geht zuerst Griechenland baden oder die schwarz-gelbe Koalition? Nach der langen Nacht in Brüssel scheinen die Chancen für Griechenland einen Tick besser zu stehen.

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