Geburtstag der Kanzlerin:Wenn das Alter zur öffentlichen Diskussion wird

Angela Merkel

"Ich bin ja jetzt schon alt", sagt Kanzlerin Angela Merkel gelegentlich selbst. Zu ihrem 65. Geburtstag dürfte sie wieder Blumen bekommen.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Bundeskanzlerin wird 65. Es ist der erste Geburtstag Merkels, bei dem auch das Altwerden und die Gesundheit der Kanzlerin eine Rolle spielen.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist ein sicheres Zeichen dafür, dass Angela Merkel rhetorisch ganz bei sich ist, wenn ihre Worte nach Fragen, die sie politisch nicht wirklich wichtig findet, auf dem schmalen Grat zwischen geradezu philosophisch anmutender Lakonie und völliger Belanglosigkeit tänzeln. So wurde die Kanzlerin neulich gefragt, was ihr der 65. Geburtstag bedeute, den sie an diesem Mittwoch feiert. Ihr werde bewusst, antwortete Merkel, "dass man immer älter wird". Der 65. Geburtstag sei "nicht ganz so markant" wie der 60. und der 70. "Aber er liegt genau in der Mitte. Das bedeutet eben, dass man nicht jünger wird."

Wie es der Zufall will, verstärken einige Begleiterscheinungen zu Merkels 65. Geburtstag, dass ihre Bemerkungen plötzlich nicht mehr so frei von jeglicher Bedeutung erscheinen, wie sie sich zunächst angehört haben mögen. Tatsächlich ist es der erste Geburtstag Merkels, bei dem nicht nur das Älterwerden, sondern auch das Altwerden der Kanzlerin eine gewisse Rolle spielen.

Das hat politische Gründe, zum einen, weil sie selbst in ihrem nun zu Ende gehenden Lebensjahr für spätestens 2021 auch den definitiven Abschluss ihrer politischen Laufbahn angekündigt hat. Zum anderen, weil sie an diesem Mittwoch mit Ursula von der Leyen die letzte Ministerin verabschiedet, die vom ersten Tag ihrer Kanzlerschaft im Jahr 2005 an dabei war - anders als Horst Seehofer ohne Unterbrechung. Merkel ist jetzt erstmals alleinige Dienstälteste in ihrem Kabinett.

Die Gesundheit als Gegenstand von Berichterstattung

Zugleich ist es aber auch Merkels erster Geburtstag, in dessen zeitlicher Umgebung ihre Gesundheit Gegenstand von Berichterstattung und Diskussionen ist. Auslöser war wiederholtes Zittern der Kanzlerin bei öffentlichen Anlässen: zweimal bei Empfängen mit militärischen Ehren ausländischer Gäste im Kanzleramt, einmal bei der Ernennung der neuen Justizministerin im Schloss Bellevue. Am Dienstag, bei der Begrüßung der neuen moldawischen Ministerpräsidentin Maia Sandu, saß Merkel mit ihrem Gast, wie schon jüngst beim Empfang der neuen dänischen Regierungschefin, während der Nationalhymnen auf einem Stuhl. Denkbar, dass Merkel eine vergleichbare Variante auch wählt, wenn sie an diesem Mittwoch wieder im Amtssitz des Bundespräsidenten der Entlassung von der Leyens und der Ernennung eines neuen Verteidigungsministers beiwohnt.

Mit ihrem öffentlichen Bekenntnis zu einer zeitweiligen Schwäche hat die Kanzlerin zuletzt Respekt erworben, auch wenn Kritiker mit dem Argument politischer Relevanz noch mehr Offenheit einfordern. Weitere Spekulationen über eine verheimlichte Krankheit ließ Merkel allerdings dadurch ins Leere laufen, dass sie ihr anspruchsvolles Programm ohne Abstriche durchzog, auch wenn sie bei einem Pressestatement in Paris am Sonntag aus der Puste wirkte. Ihr Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte dies am Montag damit, dass Merkel zuvor zügig eine Treppe hochgestiegen sei, um rechtzeitig zu den Journalisten zu kommen. Am Montag bei mehreren Terminen in Sachsen und auch am Dienstag bei ihrem Auftritt im Kanzleramt wirkte Merkel wie immer.

Älterwerden müsse man akzeptieren

Vor zwei Jahren, auf einem Demografiekongress in Berlin, sprach die Kanzlerin in einer Weise darüber, alt zu werden, die sehr an den Umgang mit ihrer Gesundheit heute erinnert. "Man sollte sich dazu bekennen, so wie man sich dazu bekennt, jung zu sein, weil das Alter in seiner ganz anderen Ausprägung als vor 100 Jahren sein Gesicht ja nur zeigen kann, wenn es auch Menschen gibt, die zugeben, dass sie alt sind", sagte sie damals, nachzulesen in Andreas Rinkes Merkel-Lexikon (Riffreporter.de). Älterwerden müsse man akzeptieren, so die Kanzlerin. "Wenn man immer erst kurz vorm Sterben 'alt' ist, dann bekommt das Alter auch kein Gesicht. Und dieses Gesicht des tatkräftigen Älteren gehört einfach dazu."

In einem bei ihr sehr seltenen Exkurs ins Persönliche fuhr sie damals in scherzhaftem Tonfall fort: "Ich erlebe es auch selbst: Wenn ich sage ,Ich bin ja jetzt schon alt', dann heißt es: ,Nein, nein, nein, keine Sorge; Sie sehen noch ganz jung aus'." Man versuche das ja auch jeden Tag, so Merkel. Nun hat sie zuletzt wegen ihrer Gesundheit quasi das Gegenteil erlebt. Vielleicht meinte sie genau das, als sie jüngst beim Sinnieren über ihren 65. Geburtstag sagte, man werde eben auch erfahrener. "Alles hat seine gute Seite."

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