Merkel bei Trump:Ein erfrischend normales Treffen

Bundeskanzlerin Merkel trifft US-Präsident Trump

Handshake im Oval Office: Kanzlerin Merkel und US-Präsident Trump.

(Foto: dpa)

Die Kanzlerin und der US-Präsident bemühen sich, ihr Arbeitstreffen unfallfrei über die Bühne zu bekommen. Es gelingt. Trotz der massiven Differenzen.

Von Thorsten Denkler, New York

Kurz bevor Angela Merkel an diesem Freitag die Wagentür aufgemacht wird, lächelt ihr Donald Trump entgegen. Er wartet vor dem Eingang zum Weißen Haus auf sie. Und klatscht zwei, drei Mal in die Hände, als er sie durch das Panzerglas der Staatslimousine erspäht. So recht deuten lässt sich die Geste nicht. Gratuliert er ihr damit, dass sie es nach Washington geschafft hat? Oder applaudiert er sich selbst dafür, dass er jetzt Angela Merkel empfängt? Ein Besuch, auf den er sich "nicht besonders freue", wie Mitarbeiter aus dem Weißen Haus US-Medien mitgeteilt haben.

Wie auch immer, es ist jedenfalls eine Geste, die weder für Trump noch für Merkel als peinlich gewertet werden muss. Und das ist ja schon mal ein Anfang.

Dann noch Küsschen rechts, Küsschen links. Einmal umdrehen für die Fotografen. Und schon verschwinden beide im Weißen Haus.

Wenig später der zweite Fototermin im Oval Office. Auch der geht - sagen wir - unfallfrei über die Bühne. Es gibt den obligatorischen Handshake, zweimal sogar. Einmal kann es Trump nicht lassen, eine Hand über die Hand von Merkel zu legen - eine seiner Überlegenheitsgesten, die er sich in diesem Leben wohl auch nicht mehr abgewöhnen wird. Merkel lässt sich nichts anmerken, sie hat mit Trump schon Schlimmeres erlebt.

Vor einem Jahr zum Beispiel, an gleicher Stelle. Da saß Trump in dem Lederstuhl, die Ellenbogen auf seine Knie gestützt, und starrte nur vor sich hin. Alle Aufforderungen, Merkel doch bitte kurz die Hand zu geben, ignorierte er. Selbst als Merkel sich kurz vorbeugte, um Trump zu signalisieren, dass sie jetzt soweit wäre: keine Reaktion von Trump.

Gibt es Strafzölle auf Waren aus der EU?

Das sollte wohl nicht ein zweites Mal passieren. Trump tut diesmal einiges dafür, diesen Besuch wie ein ganz normales Arbeitstreffen zwischen zwei ganz normalen Regierungschefs wirken zu lassen. Und Merkel scheint nicht gewillt, diesem Eindruck in irgendeiner Form entgegenarbeiten zu wollen. Sie dürfte ganz froh sein, dass die Bildsprache dieses Treffens eher auf eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA schließen lässt. In dem ganzen Wahnsinn dieser Präsidentschaft ist das mal eine erfrischende Abwechslung.

Dabei sind die inhaltlichen Gräben zwischen Deutschland und den USA seit dem Amtsantritt von Trump so tief wie nie zuvor. Das mühsam ausgehandelte Atom-Abkommen mit Iran - Trump hält es für nutz- und wertlos. Klimaschutz - für Trump nur eine lästige Erfindung durchgeknallter Wissenschaftler. Außerdem ist er kurz davor, mit der Europäischen Union einen Handelskrieg anzufangen. Am kommenden Dienstag läuft eine Frist aus, innerhalb derer er die EU noch von den Strafzöllen auf Aluminium und Stahl ausgenommen hat.

Sie haben knapp eine halbe Stunde unter vier Augen, danach ein Arbeitsessen. Und im Anschluss schon die gemeinsame Pressekonferenz. Trump findet wieder ein paar warme Worte für Merkel. Dass sie jetzt ihre vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin angetreten habe, das sei ja schließlich was. "Congratulations", Glückwunsch.

"Das wird der Präsident entscheiden"

Er dankt Merkel auch dafür, dass sie ihn in seinem Kurs "maximaler Härte" gegenüber Nordkorea unterstützt habe. "Das war sehr hilfreich." Was Merkel überrascht haben dürfte. Sie schien eher versucht zu haben, mäßigend auf Trump einzuwirken, der auf dem Höhepunkt der Krise im vergangenen Jahr Kim als "klein und fett" bezeichnet hatte.

Aber das Lob jetzt zurückzuweisen, an dem Tag, an dem Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in sich an ihrer Staatsgrenze getroffen und die Hände gereicht haben, würde keinen Sinn ergeben. Und wäre ohnehin nicht Merkels Stil. Wenn sie Trump etwas zu sagen hat, dann macht sie das unter vier Augen mit ihm aus.

Ansonsten macht Trump - wie immer - auf das hohe Außenhandelsdefizit der USA gegenüber Deutschland und der EU aufmerksam. Und dass nicht alle Nato-Partner das verabredete Ziel erreicht hätten, zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft in Verteidigung zu investieren. Aber immerhin erkennt er an, dass Merkel jetzt sehen wolle, wie Hürden für die Einfuhr von US-Produkten in die EU abgebaut werden können.

Das ist alles nicht neu. Aber Trump wirkt deutlich moderater. Er wolle niemandem die Schuld zuschieben, sagt Trump. Aber die Probleme müssten gelöst werden. Merkel wiederum macht deutlich, dass sie Verständnis für die Position von Trump habe. An einem Abbau des deutschen Handelsüberschusses werde gearbeitet, er sei ja schon gesunken. Und was die Verteidigungsausgaben angehe, da sei Deutschland ja gerade dabei, sie zu erhöhen. Im kommenden Jahr sollen sie auf 1,3 Prozent steigen. Aber: "Wir sind längst nicht da, wo wir hin müssen, das wissen wir."

Ob es denn jetzt dennoch zu den Strafzöllen kommen werde, wird gefragt. Merkels Antwort ist knapp: "Das wird der Präsident entscheiden." Trump wiederum hat die Frage offen gelassen.

Und der Iran-Deal? Am 12. Mai steht er in den USA zur Überprüfung an. Merkel sagt, sie habe ihre Position dazu nochmal klargemacht. Das Abkommen sei sicher nicht perfekt. Aber ein Baustein von vielen, um Iran von Nuklearwaffen fernzuhalten.

"Niemals auch nur in die Nähe von Atomwaffen"

Trump wiederholt nicht seine Kritik, dass dies das schlimmste Abkommen sei, das jemals auf Erden ausgemacht worden sei. Er sagt nur, er werde sicherstellen, dass Iran "niemals auch nur in die Nähe von Atomwaffen kommt, ok?".

Der Satz lässt zumindest offen, ob das Ziel nicht auch mit dem Abkommen erreicht werden kann, das neben den USA, Deutschland und Iran auch Russland, Frankreich und Großbritannien unterzeichnet haben. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der gerade einen dreitägigen Staatsbesuch in Washington hinter sich gebracht hat, hatte vor seinem Rückflug erklärt, er glaube, Trump werde ziemlich sicher die USA aus dem Abkommen herauslösen.

Ein echtes Ergebnis kann Merkel, wie zuvor schon Macron, nicht verkünden. Trump gefällt sich in der Rolle desjenigen, der immer alles offen lässt. Für die Europäer bedeutet das: abwarten. Sie haben diese Woche ihre beiden einflussreichsten Politiker nach Washington geschickt. Ob es was gebracht hat, wird sich erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: