Menschenrechtsorganisation:Amnesty International wirft Italien Misshandlung von Flüchtlingen vor

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Die Fingerabdruck-Registrierung einer geflüchteten Person (Archivbild). (Foto: REUTERS)
  • Amnesty International wirft der italienischen Polizei vor, Flüchtlinge zu misshandeln.
  • Bei der Registrierung ihrer Fingerabdrücke würden Schläge oder Elektroschocks eingesetzt. In einzelnen Fällen seien Flüchtlinge gedemütigt worden.
  • Grundlage der Vorwürfe ist ein Untersuchungsbericht, für den 170 Flüchtlinge befragt wurden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der italienischen Polizei schwere Misshandlungen von Flüchtlingen vor. Sicherheitskräfte hätten die Menschen mit Schlägen und Elektroschock-Geräten zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke gezwungen, heißt es in einer am Donnerstag vorgelegten Untersuchung. Grundlage des Befunds sind Befragungen von 170 Flüchtlingen.

Die Misshandlungen sollen nach Angaben von Amnesty an sogenannten Hotspots geschehen sein, den Registrierzentren der Europäischen Union. Dort werden allen ankommenden Flüchtlingen die Fingerabdrücke abgenommen, um zu verhindern, dass sie in einem anderen EU-Land ebenfalls Asyl beantragen. Manche Flüchtlinge versuchen deshalb, sich der Abnahme der Abdrücke zu widersetzen.

Berichte von Elektroschocks und Genitalfolter

Insgesamt habe es dem Bericht zufolge 24 Vorfälle gegeben, bei 16 von ihnen habe die Polizei zugeschlagen. Ein 16-Jähriger berichtet von Elektroschocks, die ihm zugefügt worden seien, ein 27-Jähriger behauptet gar, er habe sich entkleiden müssen und sei dann im Genitalbereich gequält worden.

Amnestys Italienexperte Matteo de Bellis erklärte, die Organisation habe nicht alle Fälle auf ihre Richtigkeit prüfen können. "Wir können aber mit Gewissheit sagen, dass es ein Problem mit dem übermäßigen Einsatz von Gewalt durch die Polizei gibt", sagte er. "Die EU-Chefs haben die italienischen Behörden an die Grenzen des Legalen - und darüber hinaus - getrieben."

Amnesty: Ursache ist der Druck der EU auf Italien

Als Konsequenz würden die traumatisierten Menschen fehlerhaften Verfahren und in einigen Fällen abstoßenden Misshandlungen durch die Polizei ausgesetzt. Ursache dafür ist dem Bericht zufolge der Druck der EU-Behörden auf Italien, mit Flüchtlingen und Migranten "hart umzuspringen".

Seit Anfang des Jahres haben italienische Behörden nach eigener Angabe mehr als 153 000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet und nach Italien gebracht - so viele waren es im gesamten Vorjahr gewesen, 2014 sogar noch 17 000 Menschen mehr. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass seit Anfang 2016 Tausende Menschen bei der gefährlichen Überfahrt gestorben sind.

© SZ.de/AFP/dpa/ees - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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