Meine Presseschau:Neugier auf die Kandidatin

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Ursula von der Leyen könnte EU-Kommissionschefin werden. Die europäischen Zeitungen stellen die deutsche Politikerin mit einer Mischung aus Vorfreude und Zurückhaltung vor.

Von Andrea Bachstein

Wer ist denn diese Deutsche, die EU-Kommissionschefin werden soll? Vor allem dies wollten Medien im europäischen Ausland mit Berichten zu Ursula von der Leyens Werdegang beantworten, meist weder enthusiastisch noch polemisch. Ihre früheren Ämter als Ministerin für Familie, Gesundheit, Arbeit, Soziales werden fast mehr beachtet als in deutschen Medien. Die italienische Wirtschaftszeitung Il Sole 24 ore erinnert daran, dass von der Leyen in der Griechenland-Krise 2011 vorschlug, Schuldenländer sollten EU-Stützungskredite zum Beispiel mit Gold absichern. Im hoch verschuldeten Italien - damals Kandidat für Rettungskredite - ist das unvergessen.

Ein ganz anderer Blick kommt aus Polen. Die Gazeta Wyborsza, die in Warschau dem Druck der PiS-Regierung zu trotzen versucht, befragte einen Politikprofessor. Der sieht einen "Erfolg für Polen", denn Viktor Orbán und die Visegrád-Fraktion lehnten die Kandidatur von Frans Timmermans ab: "Orbán und ganz Mittel- und Osteuropa haben einen Punkt gemacht, für die Europäische Union ist es ein Misserfolg." Die Deutsche gefällt hier: "Aus polnischer Sicht - ja zu Ursula von der Leyen. Sie ist religiöser als Angela Merkel oder Jean-Claude Juncker. Sie ist auch proamerikanischer als viele andere europäische Politiker. Ursula von der Leyen ist als eine von wenigen Politikern in Berlin für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben." Weiter: "Die Mutter von sieben Kindern hat eine völlig andere Wahrnehmung der sozialen Realität als etwa Angela Merkel, in deren Adern mehr Strom fließt als Blut. (. . .) Religion, Sensibilität für Sozialpolitik und große Sensibilität für die amerikanische Existenzberechtigung machen sie im polnischen Kontext zu einer wünschenswerten Regierungschefin der EU."

Das NRC Handelsblaad aus den Niederlanden, die Frans Timmermans für die Kommission im Rennen hatten, hält die Deutsche zwar nicht für eine perfekte Kandidatin, aber: "Von der Leyen war noch nie in ihrer politischen Karriere im europäischen Engagement gefangen. So ist sie ist das Gegenteil von Jean-Claude Juncker. (...) Eine neue Perspektive kann manchmal reinigend wirken, gewiss in einer bürokratischen Institution wie der EU-Kommission. Aber es hätte geholfen, wenn von der Leyen zuvor Interesse an dem Amt gezeigt hätte."

La Repubblica in Rom erkennt "eine starke Frau der deutschen Politik" und urteilt: "Das Verteidigungsministerium war fast zu wenig für ihre politische Statur. (...) Die Signora, Ärztin und Kosmopolitin adliger Herkunft, ist zu Härte fähig. Das hat sie nicht nur ihren Generälen gezeigt, sondern auch Recep Tayyip Erdoğan, Viktor Orbán und Matteo Salvini." Insgesamt wird klar: Die neue Frau aus Deutschland weckt Erwartungen.

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