Landtagswahl in NRW:Merkels Orakel im verflixten siebten Jahr

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Die "kleine Bundestagswahl" in NRW am 13. Mai erlaubt einen Blick in die Zukunft: Merkel dürfte wissen, wer von 2013 an als Koalitionspartner im Bund in Frage kommt. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern hat sie nach sieben Jahren ihre Partei noch hinter sich. Doch die FDP zerbröselt - und daran ist die Kanzlerin nicht unschuldig.

Nico Fried

Angela Merkel erlebt ihr siebtes Jahr als Kanzlerin. Und Merkel ergeht es nicht anders als ihren Vorgängern. Das siebte Jahr ist besonders schwierig. Der Unterschied zu den sechs Jahren davor liegt nicht in den innen- und außenpolitischen Problemen, sondern im machtpolitischen Verschleiß.

Angela Merkel stellt ihren Koalitionspartner FDP auch in der Euro-Krise in den Schatten. (Foto: dpa)

Helmut Schmidt drohte nach sieben Jahren seiner SPD erstmals mit Rücktritt. Helmut Kohl musste im siebten Jahr einen Putschversuch in der CDU abwehren. Gerhard Schröder trat im siebten Jahr die Flucht nach vorne an und verzockte sich in Neuwahlen. Von den letzten drei Vorgängern Merkels wurde nur Kohl in eine dritte (und später sogar vierte) Amtszeit gerettet; das politische Schicksal hüllte ihn 1990 in den Mantel der Geschichte. Eine Wiederholung der deutschen Einheit aber kann es für Merkel streng logisch gesehen nicht geben.

Die "kleine Bundestagswahl" in Nordrhein-Westfalen wird die große Bundestagswahl von - Stand heute - 2013 nicht vorentscheiden. Aber sie kann manche Klärung beschleunigen. Angela Merkel dürfte Mitte Mai wissen, ob sie im Wahlkampf allein auf sich und ihre Popularität gestellt sein wird, oder ob es noch eine Partei gibt, die behauptet, mit ihr koalieren zu wollen.

In der SPD wird die Kanzlerkandidatenfrage eine neue Dynamik bekommen. Die Machtoptionen der Grünen im Bund dürften sich umso deutlicher auf die SPD reduzieren, je höher der mögliche Erfolg von Rot-Grün in Düsseldorf ausfällt. Und für den Fall des Einzugs der Piratenpartei in den Düsseldorfer Landtag wird das Land einen Eindruck davon bekommen, wie mit wachsender Vielfalt im Parlament die Verteilung der Regierungsmacht unter den Parteien immer schwieriger wird.

Scheitert die FDP in NRW, ist die Koaliton implodiert

Am meisten hängt von dieser Wahl für Merkel ab. Keine Koalition hat sich so unfassbar schnell an den Rand des Abgrunds regiert wie die schwarz-gelbe Wunschkoalition in Berlin. Wohl wahr: Auch Rot-Grün war ein Bündnis, das den Trieb zur Selbstzerfleischung mit Wonne auslebte. Aber bis diese Regierung dann wirklich am Ende war, dauerte es immerhin sieben Jahre. Wenn die Landtagswahl in Düsseldorf mit dem Ausscheiden der FDP aus dem Parlament endet, dann ist die Koalition im Bund in zweieinhalb Jahren geradezu implodiert.

Es gibt aber einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Merkel und ihren Vorgängern. Schmidt, Kohl und Schröder hatten in erster Linie die eigene Partei gegen sich. Als die FDP sich 1982 der CDU andiente, war Schmidts SPD wegen innerparteilicher Differenzen schon längst regierungsunfähig. Helmut Kohl musste sich 1989 eines Generalsekretärs, zweier Ministerpräsidenten und einer Bundestagspräsidentin aus der eigenen Partei erwehren. Und Gerhard Schröder ging es mit der Agenda 2010 wie Schmidt mit den Pershing-Raketen: Als die Politik des sozialdemokratischen Kanzlers sich als richtig erwies, hatte die Partei ihn schon längst fallengelassen.

Merkels Problem sind freilich nicht die eigenen Leute. Die Union steht vergleichsweise geschlossen hinter der CDU-Chefin. Merkels Koalition zerfällt, weil der Koalitionspartner zerbröselt. Das hat sich die FDP zum größten Teil selbst zuzuschreiben. Aber eine Mitschuld trifft auch die Kanzlerin. Denn die zwei größten Korrekturen ihrer eigenen politischen Fehler gingen vor allem zu Lasten der Liberalen.

Die auch von Merkel noch im Koalitionsvertrag versprochene Steuersenkung kassierte sie ebenso wie ihren energiepolitischen Konfrontationskurs, der längere Atomlaufzeiten vorsah. Selbst mit dem wichtigsten Grund für ihr derzeit respektables Ansehen, das Management der Euro-Krise, stellt Merkel die FDP in den Schatten. Der liberale Wirtschaftsminister spielt hier keine, der Außenminister überhaupt keine Rolle. Wenn Merkel und die Union 2013 auf sich alleine gestellt sind, haben sie sich das auch selbst zuzuschreiben.

Bei einem Wahlsieg Krafts hat die SPD ein Problem

In der SPD wird die Wahl in Nordrhein-Westfalen ebenfalls nicht ohne Auswirkungen bleiben - und zwar auf die Frage der Kanzlerkandidatur. Hannelore Kraft wird wohl alsbald erklären, dass dies für sie 2013 nicht in Frage komme. Jede Spekulation zu einem übernächsten Karriereschritt vor dem nächsten käme vermutlich nicht besonders gut an. Aber sollte sie den Erfolg einfahren, den ihr jetzt die Meinungsumfragen versprechen, hat die SPD dennoch ein Problem. Dann stehen drei Männer, die noch nie etwas gewonnen haben, gegen eine Frau mit eineinhalb Wahlsiegen im Stammland der Sozialdemokratie.

Vor allem für Peer Steinbrück würde es dann eng. Denn er wäre in multipler Hinsicht das Gegenteil von Kraft: Wahlverlierer 2005 in Düsseldorf, in der Partei nicht sonderlich beliebt, ein Politiker mit Freude am Sparen, und einer, der nicht allzu viel Wert darauf legt, dass die Menschen sich mit ihm und seiner Politik wohlfühlen. Die SPD-Linke hätte großes Vergnügen zu behaupten, dass Kraft die Scharte ausgewetzt habe, die Steinbrück und Schröder der Partei eingebrockt haben.

Selbst eine Hannelore Kraft, die verzichtet, wird vielen in der SPD noch dazu dienen, Steinbrück zu verhindern: Wenn schon nicht sie, dann aber doch erst recht nicht er. 2005 kam Steinbrück in die Bundespolitik. In gewisser Weise droht auch ihm nun ein verflixtes siebtes Jahr.

© SZ vom 16.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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