Kurden in Deutschland:Tödlicher Stolz

Sicherheitsexperten fürchten, dass der Konflikt im türkisch-irakischen Grenzgebiet den militanten Kurden Auftrieb gibt. Auch in Deutschland ist die Lage nicht ganz einfach.

Matthias Drobinski

Es sind keine furchterregenden Zeichen, die Rüdiger Holecek Sorgen bereiten, es sind die kleinen Dinge, die dem Sprecher der Gewerkschaft der Polizei zeigen, "dass sich etwas geändert hat".

Kurden demonstrieren

Kurden demonstrieren gegen das Verbot des Fernsehsenders Roj-TV.

(Foto: Foto: dpa)

Nach dem Europameisterschaftsspiel zwischen Deutschland und der Türkei zum Beispiel. Da standen sich in Berlin zwei Gruppen gegenüber, die eine brüllten "Deutschland" und die andere "Türkye", die Polizei besetzte die Straße zwischen den beiden. Die da "Deutschland" skandierten waren Kurden, die Häme über den Türken ausgossen. Am nächsten Morgen waren bei elf Autos mit Türkei-Fahnen die Reifen platt.

"Dabei geht es in Berlin meist friedlich zu, wenn Kurden und Türken aufeinandertreffen", sagt der Gewerkschaftssprecher, "aber die Kollegen in Nordrhein-Westfalen sind da weniger gelassen." Die meisten kurdischen Vereine sind dort, im Westen Deutschlands, angesiedelt. Und die Befürchtung wächst, dass in der PKK, der in Deutschland verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei, jene an Einfluss gewinnen, die auch in der Bundesrepublik gewaltsam für die Rechte der Kurden kämpfen wollen. Die Entführung der drei Deutschen im Ararat-Gebiet könnte da ein Anlass sein.

Nur eine Minderheit

Der deutsche Verfassungsschutz möchte, solange der Krisenstab in Berlin arbeitet, keine offizielle und aktuelle Einschätzung der Lage abgeben und verweist auf den Verfassungsschutzbericht - die dort beschriebene Lage habe sich nicht geändert. Demnach gelten 11.500, also eine Minderheit von zwei Prozent der knapp 600.000 in Deutschland lebenden türkischen Kurden, den Verfassungsschützern als Anhänger des "Volkskongresses Kurdistans" (Kongra Gel) wie die Nachfolgeorganisation der PKK seit dem Jahr 2003 heißt.

Unumstrittener Führer sei immer noch der in türkischer Haft sitzende Abdullah Öcalan. Der Volkskongress bemühe sich "in Europa um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild", während die Gruppe in der Türkei und vor allem in der nordirakischen Grenzregion "militant-offensiv" agiere. Dazu gehöre auch die Drohung, den Tourismus in der Türkei zu attackieren.

In Deutschland sind die militanten Kurden in mehr als 60 Vereinen organisiert; die Aktivitäten sind so für den Staat schwer zu fassen. Für die Verfassungsschützer haben die PKK-Sympathisanten immer noch einen hohen Zusammenhalt: 16.000 kamen im März nach Berlin, 40.000 am 1. September nach Gelsenkirchen.

Junge Kurden werden über das Fernsehen geworben

Wichtig für die Kommunikation seien Medien wie die Zeitung Yeni Özgür Politika und der Fernsehsender Roj TV, der Berichte und Musikclips über das Guerilla-Leben sende - und auch "Aufrufe an die kurdische Jugend, sich der Guerillabewegung anzuschließen". Im Mai hat die Polizei die deutsche Roj-TV-Redaktion in Wuppertal durchsucht, wenige Wochen später hat das Innenministerium dann die Ausstrahlung dieses Fernsehprogramms in Deutschland verboten.

"Edi bese!", Es reicht!, heißt seit dem Herbst 2007 die Kampagne des Kongra Gel, seit das türkische Militär verstärkt im türkisch-irakischen Grenzgebiet kurdische Kämpfer jagt, seit Gerüchte die Runde machen, PKK-Chef Öcalan werde im türkischen Gefängnis schleichend vergiftet. "Edi bese!" riefen am 15. Dezember in Düsseldorf 10.000 Demonstranten.

Wer "Edi bese" im Internet googelt, findet zahlreiche Videoclips: Demonstranten, verprügelt von der türkischen Polizei, heldenhafte Kämpfer mit Kalaschnikow vor Bergkulisse, Folklore, ein Graffito auf Deutsch in einer gekachelten Unterführung: "Stolzer Kurde bis zum Tod- PKK."

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