Krankenversicherung:Beamte ohne Beihilfe

Wären die Staatsdiener gesetzlich krankenversichert, könnte der Staat Milliarden sparen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Um die private Krankenversicherung machen mittlerweile oft auch diejenigen einen Bogen, die sich dort wegen ihres hohen Einkommens voll versichern könnten. Zu groß ist die Angst vor horrend steigenden Beiträgen im Alter. Anders bei den Beamten: 85 Prozent der Staatsdiener sind privat krankenversichert - aus guten Gründen. Der Staat trägt über die Beihilfe in der Regel die Hälfte ihrer Krankheitskosten, bei Pensionären sind es sogar 70 Prozent. Die Beamten müssen deshalb geringere Prämien zahlen. Im Durchschnitt waren es 2014 etwa 241 Euro im Monat für aktive Beamte. Die Durchschnittsprämie aller Mitglieder in der Privaten Krankenversicherung (PKV) lag bei 292 Euro.

Wer dieses historisch gewachsene System ändern will, muss mit hartem Widerstand rechnen. Diese Erfahrung machte nun auch die Bertelsmann-Stiftung. Diese hatte vorgeschlagen, die Beihilfe für die Beamten abzuschaffen und stattdessen die Staatsdiener zu verpflichten, sich wie Arbeitnehmer gesetzlich in einer Krankenkasse zu versichern. CDU/CSU im Bundestag, der Verband der PKV und der Beamtenbund DBB halten davon jedoch gar nichts.

Die Bertelsmann-Stiftung hatte das auf Gesundheitsfragen spezialisierte Iges-Institut in Berlin genau rechnen lassen. Das Ergebnis: Bereits im ersten Jahr könnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) so 1,6 Milliarden Euro sparen, für die Länder wären es weitere 1,7 Milliarden Euro, wenn Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen wären. Insgesamt würde dies Bund und Länder bis 2030 um 60 Milliarden Euro entlasten, obwohl die staatlichen Arbeitgeber dann für die Staatsdiener die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags bezahlen müssten.

Das Iges-Institut unterstellt dabei, dass sich die Ausgaben für die Beihilfe bis 2030 auf mehr als 20 Milliarden Euro fast verdoppeln würden. Bereits 2014 gaben Bund und Länder für die Krankenversorgung der Beamten knapp zwölf Milliarden Euro aus. Außerdem gehen die Forscher davon aus, dass mit diesem Systemwechsel zwei Drittel der bislang 3,1 Millionen privat versicherten Beamten und Pensionäre in eine gesetzliche Kasse wechseln würden, weil sie unterhalb der Einkommensgrenze für einen möglichen Wechsel in die PKV liegen. Weitere 20 Prozent würden auf die gesetzliche Variante setzen, weil sie davon finanziell profitieren. Neun von zehn Beamten wären dann gesetzlich krankenversichert. Nach den Berechnungen des Instituts könnten die Krankenkassen so - trotz der höheren Ausgaben für die neuen Mitglieder - gut drei Milliarden Euro mehr einnehmen und ihre Beiträge leicht senken.

Krankenversicherung: Alte Pfründe: Die allermeisten Beamten sind privat krankenversichert.

Alte Pfründe: Die allermeisten Beamten sind privat krankenversichert.

(Foto: imago)

Die Studie lässt aber offen, ob der Wegfall der Beihilfe gegen die Grundsätze des Berufsbeamtentums verstößt und verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist. Unklar bleibt auch, ob die Altersrückstellungen der Beamten in der PKV sich einfach auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen lassen. In der Studie werden diese auf immerhin 72 Milliarden Euro geschätzt. Die Autoren räumen außerdem ein, dass es bei Ärzten und Krankenhäusern zu Umsatzausfällen von mehr als sechs Milliarden Euro kommen könnte, da sie für Privatpatienten mehr abrechnen dürfen. Ärzte und Kliniken könnten dann versuchen, die entgangenen Honorare an anderer Stelle wieder hereinzuholen.

Entsprechend scharf fiel die Kritik an der Untersuchung aus: Die Beihilfe gehöre "zum Gesamtpaket der Alimentation von Beamten durch den Dienstherrn", sagte der Vorsitzende des Beamtenbunds, Klaus Dauderstädt. Diese könne man nicht einfach abschaffen. Der PKV-Verband warnte vor steigenden Beiträgen für gesetzlich Versicherte und einer schlechteren Versorgung. Das Rechenwerk der Studie sei "nicht tragfähig". Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sprach sich dafür aus, den Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu erhalten. Dieser habe sich "im Hinblick auf die Qualität der Krankenversicherung in Deutschland bewährt".

SPD, Grüne, Linke und der DGB plädierten hingegen für eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen müssen. Sind Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen, stelle sich die Frage, "weshalb die anderen Privatversicherten in dem teureren und weniger effizienten System bleiben sollten", sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Diese müssten dann wohl die noch stärkeren Kosten tragen, ohne dass sich an der "Zweiklassen-Medizin" etwas ändere. Dies ergebe "keinen Sinn".

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